Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
hat, lehnt Howard deswegen vielleicht sogar unsere Mithilfe ab.«
»Gegen mich kann er aber doch nichts haben«, protestierte Cyrus. »Ich hab ihn nie belächelt und ich bin auch kein neugieriger Müßiggänger.«
»Aber Sie sind ein ernstzunehmender Kontrahent in Lord Carnarvons Sammlerzirkus«, führte Sethos aus. »Er wurde förmlich grün vor Neid, als Sie im letzten Jahr die Tutanchamon- Statuette erwarben.«
»Das ist doch kein Grund, mir die Besichtigung des Grabes zu verbieten.« Cyrus blieb uneinsichtig. »Donnerlittchen, ich gäbe eine Menge dafür, wenn ich mal einen Blick riskieren dürfte. Die Artefakte interessieren mich dabei weniger.«
Suzanne, Berties andere Tischdame, hatte hartnäckig geschwiegen, während er und Sennia schwatzten und lachten. Sie hatte sich große Mühe mit ihrer Abendtoilette gegeben, Make-up aufgelegt und ihre Haare mit einer silbernen Spange zusammengesteckt. Ihr elegantes Seidenkleid war sicher nicht ganz billig gewesen. Dass Bertie einer Dreizehnjährigen den Vorzug gab, passte ihr be stimmt nicht ins Konzept.
»Vielleicht kann ich Ihnen behilflich sein«, sagte sie unvermittelt.
Alle merkten auf und starrten sie ungläubig an. Jumana verdrehte die Augen und Emerson platzte heraus:
»Sie?«
Suzannes Lippen verzogen sich zu einem katzenhaften Lächeln. »Mein Großvater mütterlicherseits ist ein Nachbar von Lord Carnarvon. Die beiden sind gute Freunde.
Er hat mir vorige Woche telegrafiert, dass er die Weihnachtstage mit mir verbringen möchte. Und natürlich möchte er sich das Grab ansehen.«
Katherine erholte sich als Erste von ihrer Verblüffung.
»Er ist herzlich willkommen bei uns.«
»Oh, nein, nein, er würde sich nie aufdrängen; ich habe im Luxor eine Suite für ihn reserviert. Er freut sich darauf, Sie alle kennen zu lernen. Ich habe ihm viel von Ihnen geschrieben, nicht zuletzt über Ihre liebenswürdige Gastfreundschaft, Mr und Mrs Vandergelt.«
»Wer zum Teu – wer ist denn Ihr Großvater?«, wollte Emerson in seiner unverblümten Art wissen. Er hätte seine Frage ruhig etwas höflicher formulieren können, fand ich.
»Sir William Portmanteau. Vielleicht kennen Sie sich bereits, Sir?«
Die Frage galt Cyrus. Mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln antwortete er: »Ich hatte vor einigen Jahren geschäftlich mit ihm zu tun, bevor ich mich zur Ruhe setzte.
Seinerzeit war er noch nicht in den Ritterstand erhoben.«
»Seine Majestät hat ihn für seine Verdienste um England während des Krieges geehrt«, sagte Suzanne stolz. »Ach ja, richtig«, bekräftigte Cyrus. »Nun meine Liebe, vielleicht möchte er das Weihnachtsfest mit uns gemeinsam verbringen. Und wenn er Einfluss auf Seine Lordschaft hat …«, rutschte es ihm unwillkürlich heraus. »Er würde bestimmt ein gutes Wort für Sie einlegen«, meinte Suzanne.
»Ist ja fantastisch«, entfuhr es Bertie. »Das ist aber nett von Ihnen, Mademoiselle Malraux.«
»Ich bitte Sie.« Sie richtete ihre Glupschaugen auf ihn. »Wir waren doch schon beim Vornamen.«
Jumana und Sennia tauschten vielmeinende Blicke aus. Emerson schmollt nur selten (er zieht direktere Methoden der Gefühlsäußerung vor), und er hätte Suzannes Angebot, für ihn ebenfalls Fürsprache einzulegen, bestimmt abgelehnt. Gleichwohl sah man ihm an, dass es ihn maßlos fuchste, übergangen zu werden. Vehement beteuernd, dass er genug über den bedeutsamen Tutanchamon gehört hätte, beschrieb er David unsere Arbeit im Westtal. »Vielleicht kannst du Suzanne bei den Szenen in Ajas Grab zur Hand gehen«, sagte er mit einem vernichtenden Blick in deren Richtung. »Mit den Zeichnungen scheint sie gewisse Schwierigkeiten zu haben.«
»Es ist schwierig, unter diesen Bedingungen zu arbeiten«, antwortete David mit einem freundlichen Lächeln zu Suzanne.
»Und es gibt nur wenige Künstler mit Ihrer Begabung«, erwiderte Suzanne errötend. »Für Tipps und Anregungen wäre ich Ihnen überaus dankbar.«
»Morgen früh«, brummte der Professor. »Sechs Uhr.«
Was Emerson sagt, ist Gesetz. So waren wir alle vor Sonnenaufgang auf den Beinen und zu der von Emerson festgesetzten Uhrzeit startbereit. Alle bis auf Sennia, die länger schlief, weil sie von ihrem ersten gesellschaftlichen Ereignis völlig aufgekratzt heimgekommen war und Gargery erst noch haarklein darüber hatte berichten müssen. Fatima beabsichtigte, mit der Weihnachtsbäckerei zu beginnen, und ich hoffte, das würde die Kinder und Sennia bis zu unserer Rückkehr beschäftigen.
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