Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
stockte und blickte skeptisch zu Kevin, der uns schamlos belauschte. »Sie rechnen mit Problemen?«, fragte Letzterer, hellhörig geworden.
»Ach, verschwinden Sie, Kevin«, fauchte ich.
Aufmerksam das Gelände inspizierend, schlenderte Ramses über den Pfad. Ich hastete zu ihm. Wir waren noch nicht weit gekommen, als ein grässlicher Knall die Luft zerriss – er kam nicht aus der Richtung von Tutanchamons Grab, sondern vom Eingang eines der Seitenwadis weiter vor uns. Eine helle Staubwolke erhob sich. Ramses rannte los. »Bleib hier«, brüllte er.
Natürlich folgte ich ihm, so schnell ich konnte. Als ich ihn erreichte, legte sich die Staubdecke allmählich wieder. Ein ausgezacktes Loch gähnte in dem von Felsgestein gesäumten Pfad. Abgeplatztes Geröll lag am Boden verstreut. Geröll und …
Ich sah weg. »Wer?«, hauchte ich.
Ramses drehte irgendetwas mit seinem Fuß um. Wieder wirbelte Sand auf. »Farhat Ibn Simsah.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher. Sieh nicht hin, Mutter.«
Ich versuchte es, doch wurde mein Blick gleichsam zwanghaft auf den grauenvollen Anblick gelenkt. Ramses brachte sich zwischen mich und die zerfetzte, blutüberströmte Leiche und stützte mich, da ich taumelte. Ich vernahm Stimmen und eilende Schritte, hörte, wie Ramses den anderen befahl zurückzubleiben; dann packte mich ein Paar starker Arme, wie ich sie nur bei einem einzigen Menschen kenne.
»Oh Emerson«, schrie ich. »Du bist hier. Ich wusste doch, dass du kommen würdest!«
»Zum Kuckuck mit dir«, knirschte Emerson. Von tiefen Gefühlen überwältigt, versagte ihm die Stimme. Gleichwohl wusste ich, was er ansonsten gesagt hätte, und seine tröstliche Umarmung gab mir Halt.
»Ich bin nicht verletzt, Emerson. Mir geht es blendend. Du kannst mich runterlassen.«
»Einen Teufel werde ich tun«, sagte mein Mann und trug mich fort.
Aus Manuskript H
Ramses war klar gewesen, dass Nefret darauf bestehen würde, Farhats Leichnam genauer zu inspizieren. Ein kurzer Blick bestätigte der gewissenhaften Ärztin jedoch, dass für diesen Mann jede Hilfe zu spät käme.
»Er muss sich darüber gebeugt haben … was immer es war … als es hochging.« Sie erhob sich vom Boden. »Die Wucht der Explosion hat ihn an Brust und Kopf getroffen. Dynamit vielleicht?«
»Keine Ahnung. Wir dürfen nichts verändern, bis die Polizei eintrifft.« Er fasste ihren Arm. »Komm weg, Liebes. Mutter braucht dich eventuell auch.«
Nefrets Wangen waren eine Spur blasser als sonst, dennoch versuchte sie ein Lächeln. »Mutter doch nicht. Sie wird an ihrem Brandy nippen und den anderen in epischer Breite von der Sache berichten.«
Im Schatten der westlichen Erhebungen saß der übrige Trupp um seine Mutter versammelt. Sie thronte auf der Eingangsmauer zum Grab von Ramses III., erzählte und gestikulierte mit der Hand, in der sie den Flachmann mit ihrer therapeutischen Brandyration hielt. Jumana umklammerte Berties Arm. Erleichtert, dass seiner besseren Hälfte nichts fehlte, hatte Emerson sich mitten auf den Weg gepflanzt und verscheuchte die Neugierigen mit gebieterischem Gebrüll und dem einen oder anderen kleinen Knuff.
»Alle zurücktreten. Die Polizei ist bereits informiert.«
»Aziz?«, fragte Ramses seinen Vater.
»Du glaubst doch wohl nicht, dass die englischen Behörden sich um den Tod eines Einheimischen scheren, oder?« Die Stimme seines Vaters troff vor Sarkasmus.
»Howard Carter denkt da sicher anders.«
Sein Vater kniff die Augen zusammen. »Du denkst in diese Richtung, was? Hmmm, lass uns das später diskutieren. O’Connell, bleiben Sie, wo Sie sind!«
Ein sanfter Schubs von Emerson und Kevin taumelte rückwärts. Sein Tropenhelm segelte zu Boden. Jemand lachte, worauf O’Connell wutschnaubend hochging. »Sie behindern die Freiheit der Presse, Professor«, tobte er.
»Ganz recht«, sagte Margaret Minton, ihr Notizbuch gezückt. Sie war diejenige, die gelacht hatte. Sie glitt an Emerson vorbei, wich Sethos’ ausgestreckter Hand aus und steuerte in Richtung des … Unfalls? Sethos lief ihr nach, blieb aber nach wenigen Schritten stehen und verschränkte die Arme vor der Brust, seine Miene kryptisch.
Kevin suchte sich von Emerson loszureißen, der ihn mit einer Hand gepackt hielt. »Sie lassen sie passieren!«, keuchte Kevin. »Das ist eine ungeheuerliche Diskriminierung! Mrs Emerson, ich flehe Sie an!«
»Lass ihn los, Emerson«, antwortete sie lässig. »Er wird schon sehen, dass das keine Sensation ist. Bloß der
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