Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
an die gute alte Zeit. Wusstest du eigentlich«, sagte ich verträumt, »dass man den Mumien gelegentlich Zwiebeln unter die Augenlider steckte, damit es lebensechter aussah?«
David, der sich das durchaus vorzustellen vermochte, lachte milde und legte einen Arm um mich. »Das muss ein appetitlicher Anblick gewesen sein.«
Die Stufen zum Grabeingang befanden sich in einer Senke, etwa sechs Meter unter Bodenniveau. Hier wurde ganze Arbeit geleistet, dachte ich mit Bedauern, derweil ich die freigelegte Fläche vor der Treppe inspizierte, den hingezimmerten Schuppen, das Elektrokabel, das sich schlangenartig durch das Geröll wand. Man hatte mehrere Zelte aufgestellt, vermutlich für die Wachleute. Dass Seine Lordschaft oder Howard sich mit derart primitiven Unterkünften zufrieden geben könnten, bezweifelte ich doch stark. Ein Stück oberhalb und etwas hinter der Senke gähnte die rechteckige Öffnung des Grabes von Ramses VI. Eine niedrige Mauer aus aufeinandergeschichteten Steinen umgab die Fragmente.
David und ich stellten uns vor dem Grabeingang zu unserer Gruppe. Howards Aktivitäten waren natürlich nicht unbemerkt geblieben, und einige hartnäckig interessierte Zeitgenossen hingen weiterhin gebannt über ebendieser Mauer. Wenn man so will, belebten sie das trostlose Tal, allerdings nicht mit ihrem Esprit: Einige Damen trugen schrillgelbe oder nilgrüne Flatterkleider, die Herren modisch gestreifte Sommeranzüge mit schreiend bunten Bindern. Viele hielten ihre Kameras gezückt. Darunter mischten sich auf den Pfaden, die über die Schutthalden führten, Würdenträger und Dorfbewohner mit turbangekrönten Häuptern und wehenden Galabijas. Margaret Minton, dicht an das raue Mauerwerk geschmiegt, hob den Arm und winkte. Ich winkte nicht zurück.
Mr Callender versuchte verzweifelt, die klickenden Kameras zu ignorieren, während er einer Gruppe von Arbeitern Anweisungen erteilte.
»So sieht das also aus«, sagte David leise.
»Nicht besonders aufregend.«
»Ach komm«, murmelte David. »Können wir näher herangehen?«
»Unter den Wachleuten sind auch ein paar von deinen Cousins«, sagte ich mit einem vielmeinenden Grinsen.
Seine Ankunft war nicht unbemerkt geblieben. Als er zu einem der Männer trat, scharten sie sich alle um ihn, umarmten und begrüßten ihn. Sobald Callender das laute Stimmengewirr vernahm, schnellte sein Kopf hoch, und er wollte wissen, wieso die Männer ihre Posten verlassen hatten.
»Gestatten Sie, dass ich Sie mit meinem angeheirateten Neffen Mr David Todros bekannt mache«, sagte ich und trat vor. »Sicherlich kennen Sie seine Arbeit. Wo ist Howard?«
»Er hat für heute Schluss gemacht«, erwiderte Callender. »Und ich habe vor, das Gleiche zu tun. Ähm – Todros. Sind Sie Journalist?«
»Nein Sir«, antwortete David.
»Ägyptologe«, meinte ich betont. »Und ein angesehener Künstler. Er hat eben ein paar von seinen Landsleuten begrüßt, das war alles.«
»Stimmt, ich habe von ihm gehört. Er war mit Ihrem früheren Rais Abdullah verwandt, nicht?« Nachdem er David als »Eingeborenen« abqualifiziert hatte, nickte er schroff und wandte sich zu den Umstehenden: »Hier wird jetzt geschlossen. Verlassen Sie umgehend das Tal.«
»Wie unhöflich«, sagte Nefret spitz. Callender warf ihr einen gehetzten Blick zu und sprang über den Pfad zum Eingang. Für einen so bulligen Mann bewegte er sich sehr geschmeidig. Mit derselben blasierten Stimme verkündete Nefret: »Diese Anweisung gilt nicht für uns.«
Sobald Callender außer Sichtweite war, atmeten alle auf. Die Arbeiter legten ihre Werkzeuge weg und zündeten sich Zigaretten an, Rais Gurgar plauderte mit David. Ein Teil der Zuschauer entfernte sich; die Wachen sammelten Bakschisch von denjenigen ein, die noch bleiben wollten; Margaret Minton setzte sich auf die Mauer und kritzelte in ihr Notizbuch, derweil sie Kevin und Sethos bewusst ignorierte. Cyrus starrte weiterhin sehnsüchtig auf die in den Fels gehauenen Stufen, die anderen verloren jedoch das Interesse und trollten sich. Jumana schloss sich Nadji an und schlenderte mit ihm los.
»Ich kann mich eines starken Déjà-vu-Eindrucks nicht erwehren«, raunte ich Ramses zu. »Hier lungern zu viele Leute rum, und das Grab ist wieder zugänglich. Wieso hat Carter das Tor nicht angebracht?«
»Das ist gar nicht so einfach«, bemerkte Ramses genauso leise. »Zunächst einmal müssen sie nämlich den Rahmen in dem massiven Felsgestein verankern. Wie dem auch sei –«
Er
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