Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
tragische Tod eines Dorfburschen.«
»Willst du ihn dir nicht mal anschauen?«, fragte Ramses seinen Onkel.
»Anders als meine … anders als Miss Minton hab ich für blutüberströmte Leichen nichts übrig«, meinte der. »Amelias Beschreibung reicht mir völlig aus. Wer bewacht denn jetzt eigentlich das Grab. Die meisten Wachleute scheinen hier bei uns rumzustehen.«
Margaret tauchte mit leicht grünlichem Gesicht wieder auf. »Wie hieß er?«, fragte sie relativ gefasst.
»Was kümmert dich das?«, erwiderte Sethos. »Er war ein Dorfbewohner, nichts weiter.«
»Was ist mit ihm passiert?« Margaret richtete die Frage an Ramses.
Würgegeräusche drangen zu ihnen, kurz darauf kehrte Kevin zurück. »Was ist mit ihm passiert?«, presste er mit unerschütterlichem Journalistenehrgeiz hervor.
Emerson schnellte herum. »Offenbar hat der bedauernswerte Kerl irgendwelchen Sprengstoff gefunden und die Ladung irrtümlich in Gang gesetzt. Das ist alles. Die Polizei ist auf dem Weg hierher. Und jetzt Abmarsch, aber dalli.«
Margaret rührte sich nicht, bis Emerson auf sie zusteuerte. »Sie legen sich mit der Presse an, Professor«, stammelte sie, während sie zurückwich.
»Da liegen Sie verdammt richtig«, bekräftigte Emerson. »Und jetzt verschwinden Sie oder ich lasse Sie wegtragen. Ich möchte, dass alle das Tal unverzüglich verlassen.«
Seine Frau sprang auf. »Zeugen, Emerson. Verdächtige! Wir müssen alle Anwesenden verhören.«
»Aber doch wohl jetzt nicht!?«, meinte Emerson entgeistert.
»Zumindest nehmen wir ihre Namen und Adressen auf.« Sie steckte den Flachmann weg und zog Papier und Stift aus ihrem Gürtel.
Nach ihrer Ankündigung leerte sich der Schauplatz des Geschehens schneller als mit Emersons wüsten Tiraden. Ramses war sich sicher, dass sie genau das einkalkuliert hatte; als »profunde Kennerin der menschlichen Psyche« wusste sie, dass die meisten nichts mit der Polizei zu tun haben wollen. Etliche Zuschauer räumten das Feld. Fluchend zerrte Emerson ein paar Unbekehrbare aus ihren Verstecken und schob sie in Richtung Ausgang. Als nur noch ihre Gruppe übrig geblieben war, wandte er sich an Gurgar. »Alles unter Kontrolle?«
»Ja, Vater der Flüche.« Der Rais schien sichtlich betroffen. »Besteht eine Gefahr für das Grab, was meinst du? Soll ich Effendi Carter benachrichtigen?«
»Es besteht keine Gefahr, solange ihr eure Arbeit anständig macht«, sagte Emerson streng. »Ja, Carter sollte informiert werden. Schick ihm schleunigst einen deiner Männer.«
»Ich bleibe, bis Aziz eintrifft«, erklärte Ramses.
Sein Vater nickte. »In Ordnung. Die anderen können jetzt gehen. Ich empfehle eine Runde Whisky für alle, außer für dich, Peabody.«
»Das ist zwar lieb gemeint, aber völlig unnötig.« Mit einem zusammengefalteten Taschentuch betupfte sie sich vornehm die Stirn. »Sollten die anderen Ibn Simsahs nicht besser über Farhats Tod in Kenntnis gesetzt werden?«
»Vermutlich wissen sie es schon«, sagte Emerson grimmig. »Komm jetzt. Cyrus, Jumana, Bertie … Nefret?«
»Ich bleibe hier.« Nefret stellte sich zu Ramses. »Vielleicht hat Mr Aziz noch Fragen an mich.«
»Ah.« Ihre Schwiegermutter bedachte sie mit einem gedankenvollen Blick. »Richtig. Dann bis bald, meine Lieben.«
»Meinetwegen musst du nicht bleiben, Schätzchen«, murmelte Ramses, als die anderen fort waren. »Ich hab alles unter Kontrolle.«
»Von wegen. War es ein Unfall?«
»Ich glaube nicht, dass er sich mutwillig in die Luft gejagt hat«, erwiderte ihr Mann. »Komm, setz dich, hier ist ein schönes Plätzchen. Es dauert sicher seine Zeit, bis Aziz eintrifft.«
Das schöne Plätzchen befand sich außer Sichtweite des Grabes und der Wächter. Ramses legte den Arm um seine Frau, die sich zärtlich an ihn kuschelte.
»Endlich mal allein«, murmelte sie. »Die Gelegenheit haben wir nicht so oft.«
»Schon gar nicht in dieser romantischen Umgebung«, meinte Ramses sarkastisch. »Noch dazu mit einer zerfetzten Leiche.«
Sie wandte das Gesicht zu ihm. Im Dämmerlicht schimmerten ihre Haare blassgolden. »›Ein neues Jahr, eine neue Leiche‹, wie Abdullah zu sagen pflegte. Ich möchte nicht emotionslos klingen, aber man gewöhnt sich daran.«
»Ich bin der glücklichste Mann auf der ganzen Welt«, murmelte Ramses.
Nefret lachte. »Wie kommst du denn jetzt darauf?«
»Ich kann es gar nicht oft genug sagen. Die wenigsten Frauen würden sich an das bizarre Leben meiner Familie gewöhnen – und es
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