Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
Vielleicht bei einem Pflaumenkuchen zum Tee?«
Er zwinkerte Sennia zu, die ihm versicherte, dass sie sich darum kümmern werde. Dann stapfte er davon.
»Was für ein netter Mann«, sagte Sennia.
»Hmmm, er ist wirklich kein schlechter Kerl«, räumte Emerson ein. »Aber Winlock hat fast das Gleiche gesagt, und der hat sich auch nie wieder blicken lassen.«
»Margaret Minton hat sich heute auch nicht blicken lassen«, sagte seine Frau. »Eher untypisch für sie. Hoffentlich steckt sie nicht in irgendwelchen Schwierigkeiten.«
»Vermutlich jagt sie einer anderen Story hinterher«, meinte Nefret. »Auch kein aufbauender Gedanke.«
Sethos war ebenfalls nicht ins Tal gekommen. Ob er seinem Onkel vielleicht doch Unrecht tat?, überlegte Ramses. Womöglich war er wirklich zu Hause geblieben, um Weihnachtsplätzchen zu backen.
Der köstliche Duft von geschmolzenem Zucker und feinen Gewürzen stieg uns verführerisch in die Nase, als wir uns dem Haus näherten. Die Kinder kamen uns nicht einmal zur Begrüßung entgegengelaufen. Alle scharten sich in der Küche um Fatima; die Hitze und der Geräuschpegel waren unerträglich. Jemand hatte Amira hereingelassen, und Fatima versuchte, sie mit einem Kochlöffel zu verscheuchen.
Obschon Fatima anderen Glaubens war, liebte sie Weihnachten. Der Herr Jesus war schließlich ein anerkannter Prophet, und für Fatima gab es nichts Schöneres als andere Menschen glücklich zu machen. Sie war die ungekrönte Herrscherin über Heim und Herd, den Maaman ihr kampflos überließ.
»Gute Güte«, stöhnte Emerson. »Was für ein katastrophales Durcheinander! Hattet ihr wenigstens eine schöne Zeit, meine Lieben?«
Carla patschte mit ihren bemehlten Fingerchen auf seinem Hemd herum. »Du musst den Weihnachtskuchen rühren«, rief sie. »Das bringt Glück.«
»Ich hab ihn doch schon gerührt«, sagte Sethos mit einer Miene, als würde ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. Gargery saß neben ihm am Tisch und entkernte Trauben.
Überall war Mehl, auf dem Boden, dem Tisch und sogar auf dem Hund; aber das tat der Stimmung keinen Abbruch. Fatima prustete los, als ich Amira aus der Küche warf.
»Sie hat das ganze Tablett Plätzchen verputzt, das zum Auskühlen am Fenster stand. Bestimmt hat sie sich die Zunge verbrannt.«
Wir mussten alle einmal den Kuchenteig umrühren, auch David, der eben aus dem Westtal zurückkehrte.
»Ich hoffe doch sehr, es gibt irgendwas Gescheites zum Mittagessen«, brummte Emerson, einen Löffel Teig naschend.
»Salate und kalte Platten«, antwortete Maaman. »Ich musste ja Fatima helfen.«
»Ich serviere euch das Essen«, sagte Kareem eifrig.
Das lehnte Fatima entschieden ab. Sie beauftragte eine ihrer Hilfen, Badra, eine füllige junge Frau, damit und schob uns aus der Küche.
Fatimas Fröhlichkeit war ansteckend. Gut gelaunt warteten wir auf der Veranda auf das Essen, und nicht einmal Emerson knüpfte an das vermaledeite Grab an.
»Wird Zeit, dass wir uns auf die unsä … segensreichen Feiertage einstimmen«, erklärte er mit einem provokanten Blick zu mir. »Was meinst du, Peabody?«
Von wegen segensreich. Welch eine Blasphemie, dachte ich bei mir. Emerson hielt Weihnachten nämlich für ein Relikt aus heidnischer Zeit, als man die Wintersonnenwende gefeiert hatte. Und er war irgendwie selbst ein Heide. Auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin behielt er seine Glaubenseinstellung gegenüber den Kindern für sich, und da sie anwesend waren, ging ich auf seine Provokation nicht ein.
»Wie du sicher bemerkt hast, Emerson, sind die Vorbereitungen in vollem Gange«, erwiderte ich.
»Wir brauchen einen Baum«, meinte mein Mann.
»Und Geschenke«, krähte Carla.
»Sollen wir nicht mal nach Luxor fahren und ein bisschen bummeln gehen?«, schlug Emerson in einem Tonfall vor, als hätte er soeben das Rad neu erfunden. Die Idee wurde mit stürmischem Beifall begrüßt. Sennia vergaß vorübergehend ihre damenhafte Würde und klatschte begeistert in die Hände.
Emersons gute Laune bekam allerdings einen leichten Dämpfer verpasst, da Gargery unbedingt mitkommen wollte. Der alte Knabe hatte mir erklärt, dass er Geschenke mitgebracht hätte; gleichwohl hielt er es für seine Pflicht, auf Sennia aufzupassen, nicht zuletzt wegen seiner schlechten Erfahrungen in Kairo. »Sie ist doch noch ein wehrloses Kind, Sir und Madam«, sagte er.
»Und Sie meinen, Sie können sie beschützen?«, wollte Emerson wissen. »Wenn Sie derart pflichtbewusst sind, wieso ist sie
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