Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
zurückkehrte. Die Szenerie war ungemein friedlich. Wie ein flaumig weißes Band säumten Silberreiher die Felder; die Bauern waren froh darüber, da sie Schädlinge vertilgten, die das Getreide vernichteten. Ramses entdeckte nichts Beunruhigendes. Vielleicht stand Smith ja wirklich zu seinem Versprechen und hielt ihnen irgendwelche Spitzel vom Leib.
Bei seiner Rückkehr begrüßte er seine Mutter und Nefret, die eben in Begleitung von Selim und Daoud eintrafen. Sie setzten sich auf die Veranda, währenddessen überlegte Ramses fieberhaft, wie er ihnen die Neuigkeit schonend beibringen könnte. Da stakste Kareem ins Freie, mit beiden Händen ein beladenes Tablett balancierend. Der pausbäckige, immer fröhliche Junge war sozusagen Fatimas Laufbursche. Der junge Emerson hechtete zu ihm und konnte gerade noch verhindern, dass ein Stapel Tassen zu Bruch ging. Unbeeindruckt grinste Kareem in die Runde und schob das Tablett umständlich auf den Tisch, ohne dass es jedoch zu weiteren Katastrophen kam.
»Wie du siehst, haben wir alles für dich vorbereitet, Sitt Hakim«, verkündete er stolz.
»Wo ist Fatima?«, wollte die Hausherrin wissen.
»Du setzt dich jetzt besser hin«, sagte Ramses. »Sie ist doch nicht krank, oder?«, fragte Nefret bestürzt.
Ihre Schwiegermutter schaltete schneller. Oder, überlegte Ramses, Abdullah hatte ihr die Neuigkeit schon in einem ihrer Träume übermittelt. »Er ist da«, entfuhr es ihr. »Wo ist er?«
Ramses verscheuchte Kareem, indem er ihn die vergessenen Servietten holen ließ. »Setz dich und trink erst mal deinen Tee«, schlug er vor. »Es ist alles unter Kontrolle.«
»Hah«, sagte seine Mutter. Seinen Rat befolgend, goss sie mit geübter Hand Tee ein, während er erzählte. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Selims tintenschwarzer Bart teilte sich zu einem strahlenden Grinsen. Er hatte die vorangegangenen Abenteuer mit Sethos, den er für einen fabelhaften Menschen hielt, immer sehr geschätzt. Daoud, der seine Tasse behutsam in einer Handfläche balancierte, nickte nur. Ihn konnte so leicht nichts erschüttern.
»Ein erneuter Malariaschub?« Nefret setzte ihre Tasse ab und wollte aufspringen. »Ich sehe ihn mir besser mal an.«
»Er hat eine Dosis Chinin intus«, erklärte Ramses. »Komm, bleib noch ein Weilchen sitzen, Liebes, du siehst müde aus. Was sollen wir jetzt machen?«
Seine Mutter nahm sich ein Törtchen von der Kuchenplatte. »Na, was wohl? Es so akzeptieren, wie es ist. Nefret, trink aus und dann werden wir einen kleinen Plausch halten mit … mit unserem Gast.«
»Wir alle?«, erkundigte sich Selim erwartungsvoll.
»Wieso nicht?«
Als sie sich in den kleinen, düsteren Raum drängten, war Sethos wach. »Na großartig«, seufzte er, bemüht, das verräterische Zähneklappern zu unterdrücken. »Daoud und Selim sind auch dabei. Wo ist Emerson?«
»In Kairo.« Nefret setzte sich auf den Bettrand. »Mach die Vorhänge auf, Ramses. Ich brauche mehr Licht.«
»Besser nicht«, erwiderte ihr Mann. »Ich hole eine Lampe.«
»Ich mach das schon«, sagte Fatima schnell und glitt aus dem Zimmer.
»Sie schämt sich«, erklärte Selim. »Geschieht ihr ganz recht. Weil sie die Sitt Hakim hintergangen hat.«
»Es ist ja nichts Schlimmes passiert«, beschwichtigte die fragliche Dame. »Das hoffe ich zumindest.«
»Mir ist bestimmt keiner gefolgt«, beteuerte Sethos. »Ich wäre nicht hergekommen, wenn ich irgendetwas Verdächtiges bemerkt hätte.«
Unvermittelt durchzuckte ihn ein heftiges Schauern.
Fatima schlüpfte mit der Lampe ins Zimmer, und Nefret sagte: »Alle raus. Ihr könnt ihn jetzt nichts fragen.«
»Nein«, bekräftigte ihre Schwiegermutter. »Aber du bleibst auch nicht bei ihm. Das übernehme ich. Nein, keine Widerrede, Nefret. Ich weiß genau, was zu tun ist. Geh und hol die Kinder zum Tee – Kareem soll eine frische Kanne aufbrühen.«
»Kareem?«, entfuhr es Fatima erschrocken. »Hat er den Tee serviert? Oh, oh, oh, das hatte ich ganz vergessen. Hat er dabei etwa das schöne Geschirr zerbrochen?«
»Noch nicht«, meinte Ramses trocken.
»Geh jetzt und kümmere dich darum, Fatima«, sagte seine Mutter. »Nachher kannst du mir dann hier zur Hand gehen.«
Fatima rang die Hände. »Du bist mir doch nicht böse, Sitt Hakim?«
»Nicht besonders.« Ein mildes Lächeln nahm den Worten die Schärfe. »Lauf jetzt.«
Nach dem üblichen Verlauf der Krankheitssymptome zu urteilen, sann Ramses, würden sie erst am Morgen etwas Konkretes aus Sethos
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