Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
leid, Ramses.«
»Ihm sollte es besser leidtun. Was bildet der Bursche sich eigentlich ein, dich in diese kompromittierende Lage zu bringen?«
»Oh, aber er ist doch mein Freund. Und er brauchte meine Hilfe.«
Sieh mal einer an, dachte Ramses zähneknirschend. Sethos hatte sich erst nach Kräften bei Fatima eingeschmeichelt, sie mit dem umwerfenden Charme umgarnt, den er auch bei »echten Damen« einsetzte, und sie mit artigen Komplimenten überschüttet. Um dann an ihr Mitgefühl zu appellieren – worauf die gute Seele des Hauses natürlich dahingeschmolzen war wie Eiskristalle in der Sonne.
Malaria war nicht heilbar. Einmal damit infiziert, brach die Krankheit in unvorhergesehenen, wiederkehrenden Schüben aus. Ramses versuchte sich zu erinnern, was Nefret ihm darüber berichtet hatte, als sie Sethos während seines ersten Anfalls behandelte. Bei dieser Form ging es dem Kranken am Morgen relativ gut. Am Spätnachmittag setzte dann der Schüttelfrost ein, gefolgt von hohem Fieber und, gelegentlich, geistiger Verwirrung.
»Wir wecken ihn besser und geben ihm das Medikament«, schlug Ramses vor. Er beugte sich über Sethos, der eins von Emersons Nachthemden trug, und schüttelte ihn nicht eben sanft.
Sein Onkel öffnete die Augen. Er schien kein bisschen erstaunt, als er Ramses sah, aber auch nicht gerade begeistert.
»War mir sowieso klar, dass sie es nicht lange für sich behalten würde«, meinte er resigniert.
»Sie hat mir nichts gesagt. Ich erwischte sie dabei, wie sie das Chinin für dich klaute.« Ramses öffnete das Fläschchen. »Wie viele musst du davon nehmen?«
»Dreimal am Tag eine Tablette. Ich bin seit Wochen auf der Flucht. Hatte nicht die Spur einer Chance, mir Nachschub zu besorgen.«
»Ich hole etwas zu essen«, sagte Fatima und stürmte hinaus.
»Du solltest dich schämen, die Ärmste so auszunutzen«, kritisierte Ramses seinen Onkel. »Wieso hast du dich nicht an Vater oder an mich gewandt?«
Die kränklich trübe Iris in den tiefen Augenhöhlen funkelte belustigt auf. »Ich wollte nicht, dass Nefret mich so geschwächt und hilflos in die Finger bekommt.«
»Find ich überhaupt nicht lustig.«
»Okay, also um ehrlich zu sein, wäre ich gar nicht gekommen, wenn mich dieser verdammte Malariaschub nicht flachgelegt hätte. Ich hörte – oh danke, Fatima. Mmmh, sieht das lecker aus.«
Er zog sich in Sitzposition hoch und nahm ihr das Tablett ab. Seine Hände zitterten leicht. Machte sich der nachmittägliche Schüttelfrost schon bemerkbar? Ramses hatte keine Ahnung, er wusste nur eins: Sein Onkel konnte bluffen wie ein Weltmeister.
»Was hast du gehört?«, bohrte Ramses.
Mit einem missmutigen Zungenschnalzen nahm Fatima die Suppentasse von dem Tablett und fing an, ihren Patienten zu füttern. »Du darfst ihn jetzt nicht aufregen, Ramses, davon bekommt er bloß wieder einen Anfall.«
Sobald sie den Löffel an seine Lippen führte, öffnete Sethos brav den Mund. Nachdem er geschluckt hatte, sagte er: »Ich möchte mit näheren Erläuterungen warten, bis sich meine über alles geliebte Familie komplett eingefunden hat. Du erzählt ihnen doch sicher, dass ich hier bin, oder?«
»Hundertprozentig. Was hast du gehört?«
»Mund auf«, befahl Fatima.
Sethos grinste Ramses triumphierend an. Nachdem er den Großteil der Suppe vertilgt hatte, murmelte er matt: »Tut mir leid, Fatima. Es war köstlich, aber … aber ich kann nicht mehr.«
Er sank in die Kissen zurück und schloss die Augen. Ramses konnte sich einen letzten Seitenhieb nicht verkneifen. »Ich hole Nefret.«
Keine Reaktion. Stattdessen wurde Sethos von einer Schüttelfrostattacke erfasst. Fatima stopfte eine weitere Decke um seinen Körper.
»Ich bleibe bei ihm sitzen, Ramses, bis Nefret kommt.«
Wenn es auch kein Befehl war, so doch immerhin ein deutlicher Hinweis. Leise vor sich hin grummelnd trat der junge Emerson den Rückzug an.
An Arbeit war jetzt nicht mehr zu denken. Gleichwohl machte er seine Drohung nicht wahr: Bis er im Westtal eintraf, hätten Nefret und die anderen die Arbeit für diesen Tag ohnehin eingestellt. Stattdessen nahm er sich vor, die Umgebung genauer zu inspizieren. Sethos war zwar unbehelligt ins Haus gelangt, dabei aber womöglich beobachtet worden.
Auf einem Strohballen ausgestreckt, hielt Jamad im Stall sein Nachmittagsnickerchen. Also sattelte Ramses Risha selbst. Er ritt um das Haus und von dort ein Stück in die Wüste, bevor er mit Kurs auf Fluss und fruchtbares Ackerland
Weitere Kostenlose Bücher