Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
sah, und rieb sich gähnend die Augen.
»Du siehst ja völlig erschlagen aus, mein lieber Junge«, sagte ich.
»Bin ich auch.« Er stand auf und dehnte seine steifen Gliedmaßen. »Er hat sich nicht gerührt.«
»Er ist wach«, bemerkte ich. »Geh, wasch dich und iss ein bisschen was, Ramses. Ich hab gehört, wie Fatima in der Küche herumrumorte.«
Sethos wartete, bis Ramses verschwunden war, bevor er sich auf meine Seite rollte und mich angriente. »Was, ohne Anstandsdame? Was würde Emerson sagen, wenn er uns so sehen könnte, dich in diesem ungemein verführerischen Morgenmantel und mich –«
»Du bist jedenfalls kein Anblick, der Frauen zu amourösen Eskapaden animieren könnte. Du klingst ziemlich mitgenommen. Hast du Hunger?«
»Tja, das sind die Auswirkungen der Malaria.« Er streckte sich lasziv. »Ah, da kommt Fatima mit meinem Frühstück.«
»Lass es dir schmecken«, versetzte ich spitz.
»Wieso gehst du nicht und frühstückst ebenfalls?«
»Weil ich ein paar Fragen an dich habe.«
»Liebste Amelia, ich kann nicht essen und gleichzeitig reden. Ramses und Nefret möchten bei deiner Befragung gewiss zugegen sein. Also, warum wartest du nicht, bis die beiden –«
»Ich wollte mich nur nach deinem Enkel erkundigen. Wir haben schon eine ganze Weile nichts mehr von Maryam gehört.«
Mit dieser vergleichsweise harmlosen Frage hatte er nicht gerechnet. Seine Augen wurden schmal. Dann zuckte er wegwerfend die Schultern. »Du weißt doch, dass ich mich derzeit nicht sonderlich gut mit meiner Tochter verstehe. Ich war nicht einverstanden mit der Wahl ihres Ehemannes und dumm genug, ihr das auch noch auf die Nase zu binden.«
»Ich begreife wirklich nicht, was du gegen Mr Bennett hast. Er ist ein Gentleman mit einer ausgezeichneten Reputation.«
»Du hast Nachforschungen über ihn anstellen lassen, stimmt’s?«
»Na klar, um deine Vorurteile zu zerstreuen. Oder bist du etwa eifersüchtig?«
Sethos ließ die Gabel sinken. »Du verdirbst mir glatt den Appetit, Amelia.«
»Das liegt an der schmerzvollen Wahrheit meiner Worte. Du fühlst dich von deiner Tochter und deinem Enkel vernachlässigt. Da ist es nur natürlich, dass du Ressentiments gegen ihren Mann hast.«
»Musst du eigentlich immer Recht haben?«, entfuhr es Sethos unerwartet heftig. »Maryam und ich waren nach Jahren der Entfremdung Freunde geworden. Außerdem kenne ich den kleinen Jungen ja kaum.«
»Und wessen Schuld ist das?«
Ich hatte ihn selten so unbeherrscht erlebt wie jetzt. Es war kein schöner Anblick; ärgerlich kniff er die Lippen zusammen, seine Augen, deren ungewöhnlich stechende Iris undefinierbar braun-grau-grün gesprenkelt war, sprühten Blitze. Meine Retourkutsche hatte ganz offensichtlich gesessen.
»Na ja, lassen wir das fürs Erste auf sich beruhen.« Ich erhob mich. »Und genieß dein Frühstück.«
Ich kann nicht behaupten, dass ich meins genossen hätte. Maamans Gerichte waren köstlich wie immer, aber Kareems ungelenkes Herumgestolpere, wobei er die gekochten Eier fallen ließ und Kaffee verschüttete, ging mir ganz schön auf die Nerven. Ich hatte nicht mitbekommen, dass es in der Beziehung zwischen Sethos und seiner Tochter dermaßen kriselte. Natürlich hatte er sich das in erster Linie selbst zuzuschreiben. Er hatte zwar schon früh versucht, sich um das Mädchen zu kümmern, aber ihre Mutter, eine ehemalige Prostituierte, hasste Sethos und umgekehrt nicht minder. Folglich wollte Maryam nach Berthas Tod absolut nichts mit ihrem Vater zu tun haben und schloss sich dafür der Gruppe von Kriminellen an, deren Anführerin Bertha gewesen war. Die Geburt von Maryams Sohn sowie späte Einsicht hatten Vater und Tochter wieder zusammengeführt. Dieses Band hatte Sethos inzwischen wieder zerstört.
Typisch für ihn. Vorsorglich setzte ich dieses Problem mit auf meine mentale Liste.
»Fatima ist bei ihrem Bettler«, verkündete Kareem.
»Ich weiß«, antwortete ich. »Sie hat ein gutes Herz.«
»Ist er ein heiliger Mann?«, wollte der Junge wissen.
Geistesgegenwärtig nahm Nefret ihm die Kaffeekanne aus der Hand. »Oh ja, sehr«, bekräftigte sie. »Er möchte allein sein, damit er meditieren und sich erholen kann.«
Wir warteten höflich, bis Sethos gefrühstückt hatte, bevor wir in seinem Zimmer aufkreuzten. Er saß in dem frisch gemachten Bett, an die aufgeschüttelten Kissen gelehnt, und hielt eine Kaffeetasse in der Hand. Fatima und sein Frühstückstablett waren auf wundersame Weise
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