Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
entschlossen, die Risiken weitestmöglich zu minimieren. Zu Pferd waren sie weniger angreifbar.
»Du bringst Margaret natürlich mit hierher«, sagte seine Mutter. »Vielleicht nimmst du besser noch ein Pferd mit.«
Hoch zu Ross war Sethos ein echter Augenschmaus. »Ich werf sie einfach über den Sattel«, rief er. »Das letzte Mal fand sie das ganz toll.«
Er war ein ausgezeichneter Reiter und sein wilder Galopp vereitelte jede Kommunikation. Die Felder lagen stumm und schweigend unter einem Baldachin aus flimmernden Sternen; in den Dörfern gewahrten sie kein einziges erleuchtetes Fenster; alles schlief, einzig der gleichmäßig donnernde Hufschlag durchbrach die nächtliche Stille.
Für die Bewohner des Westufers war es schon spät, gleichwohl funkelten die Lichter von Luxor verheißungsvoll über den dunklen Fluss. Ein gähnender Fährmann, um diese nachtschlafende Zeit froh um jeden Kunden, rappelte sich auf und legte die Landeplanke bereit.
»Die Tiere lassen wir bis zu unserer Rückkehr hier«, erklärte Ramses seinem Onkel.
»Du trägst doch hoffentlich eine Waffe bei dir«, murmelte Sethos.
»Nur mein Messer. Wieso ich?«
»Wie bitte?«, fragte Sethos höflich.
»Du wolltest doch, dass ich mitkomme. Warum also ich?«
Er rechnete nicht mit einer Antwort und wäre fast von der Schiffsbank geplumpst, als sein Onkel erwiderte: »Du bist ein ebenso guter Kämpfer wie dein Vater, aber bei weitem nicht so hitzig wie er.«
»Unwahrscheinlich, dass wir uns zur Wehr setzen müssen. Es sei denn gegen Margaret«, gab Ramses zurück. »Ich hab da wenig Einfluss. Sie mag mich nicht.«
»Was dich aber ziemlich kalt lässt. Umso besser. Lass dich bloß nicht von ihr einwickeln.«
»Keine Sorge«, meinte Ramses beim Gedanken an den Brummschädel seiner Mutter. »Falls wir sie überhaupt finden.«
»Ich kann mich natürlich irren«, räumte Sethos ein. »Durchaus möglich, dass sie Kontakte in Luxor hat, von denen ich nichts weiß.«
»Ihr geht nicht besonders offen miteinander um, was?«
»Nein.« Sethos presste die Lippen zusammen.
Als sie das andere Ufer erreichten, versprach der Fährmann zu warten und kauerte sich zu einem weiteren Nickerchen zusammen. Sie kletterten die Stufen zum Kai hoch.
»Vielleicht probieren wir es als Erstes im Winter Palace.« Sethos deutete auf die hell erleuchtete Fassade des Luxushotels. »Sie hat glatt die Stirn, das nächstliegende Hotel anzusteuern.«
Da hatte Ramses so seine Zweifel, wie sich jedoch herausstellte, kannte Sethos seine Frau besser als vermutet.
Der Empfangschef informierte sie, dass sie zwar spät und ohne Gepäck eingetroffen sei, er Mrs Emersons Cousine aber trotzdem hätte unterbringen können. Es sei gewiss nicht das schönste Zimmer, aber das Hotel sei ausgebucht und –
»Meine Mutter wird es Ihnen zu danken wissen«, schnitt Ramses ihm rigoros das Wort ab. »Welche Zimmernummer?«
Auf ihr Klopfen antwortete niemand. »Vielleicht ist sie noch mal ausgegangen«, erwog Ramses.
»Sie ist da.« Sethos klopfte erneut. »Mach die Tür auf, Margaret«, rief er. »Sonst lass ich mir vom Hotelmanager aufschließen.«
Ihre Reaktion ließ auf sich warten. »Wer ist bei dir?«
»Ich«, rief der junge Emerson. »Ramses.«
»Dein Vater nicht?«
»Nein. Trotzdem kann ich dir versichern, dass der Hoteldirektor mir den Schlüssel geben wird, wenn du nicht freiwillig aufmachst.«
»Verdammt«, knirschte Margaret deutlich vernehmbar. Der Schlüssel wurde im Schloss gedreht, die Tür sprang auf.
Jählings wich sie zurück, schob sich an die hintere Zimmerwand und rieb nervös die Hände aneinander. Mit Ausnahme der Stiefel, die sie inzwischen ausgezogen hatte, trug sie die gestohlenen Sachen. Was auch sonst? Ihre eigene Kleidung hatte sie notgedrungen zurücklassen müssen. In ihrer Handtasche war lediglich Platz für ein paar Toilettenartikel, Notizbuch und Stift. Die gelösten Haare fielen ihr über die Schultern. Sie sieht aus wie Mutter, dachte Ramses. Sie hat sogar das energische Kinn.
»Probiert es ja nicht mit irgendwelchen Tricks«, warnte sie. »Sonst schreie ich das ganze Hotel zusammen.«
»Wieso sollten wir so etwas tun?«, wollte Sethos wissen.
Sie funkelte ihn an. Manche Frauen hätten barfuß, in schlecht sitzender Garderobe, vermutlich kapituliert. Nicht so Margaret. Ihre provozierend aufsässige Haltung wurmte Ramses maßlos.
»Wir haben deinen Koffer mitgebracht«, sagte er und knallte selbigen auf den Boden. »Wie ich sehe, hast du in
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