Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
mehr als er. Aber damit hatte er keine Probleme.
»Vor ein paar Tagen erhielt ich eine Nachricht«, fuhr Sethos fort. »Der Torwächter leitete sie direkt an mich weiter, so hatte ich ihn nämlich instruiert.«
»Schätze mal, es war keine Einladung zu einem weiteren Geheimtreffen, oder?«
»Für so ignorant halten sie mich nun mal nicht. Ich sollte einem sogenannten Mittelsmann antworten. Mein Gesprächspartner war herzerfrischend offen. Er führte aus, dass ich ihnen tot wenig nützen würde, da man zu Recht folgert, dass ich das Dokument nicht bei mir trage. Er schlug einen Austausch vor. Wenn ich das Schriftstück aushändige, lassen er und seine Leute uns künftig in Ruhe.«
»Ist ja lachhaft«, entfuhr es Ramses. »Woher wollen sie denn wissen, dass wir keine Kopien gemacht haben?«
»Hast du?«
»Na klar. Ich arbeite mit einer, da das Original ziemlich brüchig ist.«
»Das Angebot war ein Witz«, räumte Sethos ein. »Allerdings lassen sich daraus gewisse Schlüsse ziehen. Sie wissen, dass wir das Dokument noch nicht entschlüsseln konnten, aus dem einfachen Grund, weil wir noch nicht darauf reagiert haben. Eine weitere Hypothese wäre, dass es eine Terminangabe enthält. Nach einem gewissen Zeitpunkt wird die Mitteilung bedeutungslos oder so.«
»Das ist offensichtlich«, sagte Ramses scharf. »Sie wird hinfällig, weil das avisierte Ereignis stattgefunden hat oder weil die Information bekannt wurde.«
»Wenn das so offensichtlich war, warum hast du es dann nicht früher erwähnt?«
»Mich hat keiner gefragt.« Ramses grinste in die Dunkelheit, da sein Onkel bedrohlich mit den Zähnen mahlte. Er sollte Sethos in dieser kritischen Situation nicht provozieren, aber es machte ihm nun mal einen Mordsspaß, ihn aus der Fassung zu bringen.
»Und, wie hast du dich entschieden?«, forschte der junge Emerson.
»Ich hab mich auf ihre Bedingungen eingelassen.«
»Ah. Trotzdem hast du nicht die Absicht, es schon jetzt zurückzugeben, oder?«
Sethos schob sich die windzerzausten Haare aus dem Gesicht. »Das hast du also auch schon realisiert?«, fragte er angesäuert. »Ich weiß nicht, wieso ich dir mit ausufernden Erklärungen komme. Du weißt doch sowieso schon alles.«
»Ist mir eben erst durch den Kopf gegangen«, konterte Ramses. »Wenn die Leute so scharf auf das Original sind, hat es etwas an sich, was die Kopie nicht hat, sei sie auch noch so gut.«
»Und?«
»Ich hab nichts Auffälliges bemerkt. Aber du kannst dir sicher sein, dass ich mir das Original noch einmal genauer anschauen werde.«
Ramses und Sethos kehrten früher zurück als von mir erwartet, und ohne Margaret. Unsere Fragen beantwortete Sethos mit einem knappen »sie wollte nicht mitkommen«. Dann verdrückte er sich mit der Bemerkung, er müsse ins Bett. Ramses erklärte, er werde noch arbeiten, und wollte dem Beispiel seines Onkels folgen, doch dem schob ich freilich einen Riegel vor.
»Dann lagen wir also richtig mit unseren Vermutungen«, sagte ich. »Sie war im Hotel. In welchem denn?«
Resigniert seufzend setzte Ramses sich und beantwortete unsere Fragen. Selbst sein Vater sperrte interessiert die Lauscher auf.
»Im Winter Palace. Sie hat sich ein Zimmer ergaunert, indem sie sich als deine Verwandte ausgab.«
»Hoffentlich nicht als meine jüngere Schwester.« Das war ein Seitenhieb in Richtung Emerson, der mich irgendwann einmal gefragt hatte, ob ich mir auch ganz sicher sei, dass mein Papa sich in späteren Jahren keinen amourösen Fehltritt geleistet hätte. Emersons Sinn für Humor lässt bisweilen zu wünschen übrig.
»Nein, als deine Cousine«, bemerkte Ramses. Schadenfroh grinsend setzte er hinzu: »Sie war barfuß.«
»Selbst schuld, wenn sie Blasen hatte. Da kenne ich kein Mitleid«, murmelte ich. »Erzähl weiter. Sie weigerte sich also mitzukommen. Das erstaunt mich nicht wirklich.«
Ramses rückte seinen Stuhl näher an meinen. »Bei den beiden hat es mächtig gekracht«, sagte er leise. »Er wies sie an, sich umzuziehen und mitzukommen, und sie weigerte sich schlichtweg. Dem folgte ein hitziger Wortwechsel, in dem sie sich gegenseitig Rücksichtslosigkeit, Egoismus und dergleichen vorwarfen. Sie beteuerte sogar, er würde sie schlagen.«
»Was für ein Unsinn«, erregte ich mich. »Margaret hätte mit Sicherheit zurückgeschlagen und am nächsten Tag die Scheidung eingereicht. Was haben sie noch gesagt?«
Nefret hatte ihren Stuhl ebenfalls herangezogen. Ramses schien sich auf einmal unschlüssig. »Ich
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