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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Nasenring drohend an und sagte dann, ohne seinen Kollegen zu beachten, etwas auf spanisch zu den beiden Mexikanern, und jetzt kamen sie in Bewegung, und wie. Im nächsten Moment lagen sie beide bäuchlings auf der Erde, die Beine gespreizt, die Arme im Nacken verschränkt, und der neue Polizist tastete sie ab. Delaney verspürte Haß und Triumph - es war stärker als er -, und dann beugten sich beide Polizisten über die Verdächtigen, um ihnen Handschellen anzulegen, und der große Mexikaner, Delaneys spezieller Freund, beteuerte seine Unschuld in zwei Sprachen. Dieser Dreckskerl. Arschloch. Brandstifter. Delaney konnte sich nur mühsam beherrschen, nicht hinüberzugehen und ihm in die Rippen zu treten.
    Ein Hund bellte, tobte in rasender Wut, Sirenen zerrissen die Luft. An die dreißig, vierzig Menschen hatten sich versammelt, und es kamen immer noch mehr. Sie wichen einen Schritt zurück, als die Polizisten ihre Verdächtigen auf die Beine zerrten, und Delaney stand direkt daneben, mitten im Gemenge, Jack an seiner Seite. Er sah den Schmutz und Überbleibsel von Unkraut auf den Hemden der beiden Mexikaner, sah die einzelnen Stoppeln auf ihren unrasierten Hälsen und Wangen. Die Mütze des Größeren war verrutscht, so daß der Schirm jetzt in schrägem Winkel abstand. Die Handschellen blitzten im flackernden Blaulicht auf. Niemand rührte sich. Und dann schrie die dicke Frau eine rassistische Bemerkung, und der Kopf des Latino-Polizisten fuhr herum.
    Delaney spürte, daß der große Mexikaner ihn ansah. Es war genau wie damals im Vorgarten der Cherrystones, der gleiche Blick voll Verachtung und ätzendem Haß, aber diesmal machte Delaney keinen Rückzieher, empfand keine Schuldgefühle oder Mitleid oder auch nur die geringste Regung menschlichen Mitgefühls. Er schleuderte dem Dreckskerl den Blick zurück und legte alles hinein, was er hatte, biß die Zähne so fest zusammen, daß ihm die Kiefer weh taten. Und dann, gerade als der blonde Polizist den Mexikaner am Arm packte, um ihn herumzudrehen und zum Streifenwagen abzuführen, spuckte der Kerl aus, und Delaney spürte die Nässe im Gesicht, sah die Speicheltropfen auf seiner Brille und verlor jede Beherrschung.
    Und auf einmal fiel er über den Kerl her, prügelte mit den Fäusten auf ihn ein, während die Menge vorstürmte und der Mexikaner nach ihm trat und der Polizist sich zwischen sie drängte. »Du Wichser!« schrie der Mexikaner ihm über die Schulter nach, als der Beamte ihn weiterstieß. »Ich bring dich um, ich bring dich um, du Wichser!«
    »Arschloch!« brüllte Delaney, und Jack Cherrystone mußte ihn zurückhalten.
    »Brandstifter!« rief jemand. »Bohnenfresser!« Und dann brach die Menge in eine Kakophonie von Beschimpfungen und Drohungen aus. »Geht doch zurück nach Mexiko!« schrie ein Mann in einem Sporthemd, das wie das von Delaney aussah, während die Frau neben ihm immer wieder »Mexikanerschwein!« skandierte, bis sie rot im Gesicht war.
    Die beiden Polizisten brachten ihre Häftlinge in Sicherheit, der Blonde trat vor, die Hand am Holster. »Sie gehen jetzt alle ein Stück zurück, sonst muß ich Sie verhaften, Sie alle!« brüllte er, und dabei traten ihm die Sehnen am Hals hervor. »Wir haben hier ein Problem, begreifen Sie das nicht? Und Sie machen es nur noch schlimmer. Also treten Sie zurück! Das meine ich ernst.«
    Niemand rührte sich. Der Rauch hing in der Luft wie ein Gift, wie ein Verhängnis. Delaney betrachtete seine Nachbarn, ihre leeren, weißen Gesichter, die geballten Fäuste, zu allem bereit, siedend und brodelnd, ein richtiger Mob. Sie waren hier draußen in der Nacht, außerhalb ihrer Mauern, vertrieben aus ihren Schneckenhäusern, und sie waren nicht mehr zu bändigen. Delaney blieb stehen, die kleinen Rädchen in seinem Kopf rotierten, und als Jack ihm nochmals die Flasche anbot, nahm er sie.
    Letzten Endes war es der Wind, der die Sache entschied. Das Feuer fraß sich bis auf knapp fünfhundert Meter an Arroyo Blanco heran, wandte sich dann westwärts in Richtung der Geröllhalde hinter der Wohnanlage und über den Hügel, wo es endgültig gelöscht werden konnte. Die Nacht erstickte den Santa-Ana-Wind, und am nächsten Morgen pumpte eine Brise von der See her Feuchtigkeit in die Luft, so daß man um zehn Uhr den Einwohnern von Arroyo Blanco, die in ihren Autos, in Motels, auf den Sofas von Freunden, Verwandten, Kollegen oder flüchtigen Bekannten übernachtet hatten, die Rückkehr in ihre Häuser

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