American Gods
Bank gewusst haben, dass Soapy Sylvester in der Stadt ist, oder dass sie von der Qualität der Hundertdollarscheine erfahren haben, die er in Denver und St. Louis in Umlauf gebracht hat.‹ Und mit diesen Worten greift er dem Bischof in die Tasche und zieht die Halskette heraus. ›Diamanten und Perlen im Wert von zwölf hundert Dollar gegen Papier und Tinte im Wert von fünfzig Cent‹, sagt der Polizist, der offenbar im Grunde seines Herzens Philosoph ist. ›Und sich dann noch als Mann der Kirche ausgeben. Du solltest dich was schämen‹, sagt er, während er dem Bischof, der offensichtlich gar kein Bischof ist, die Handschellen anlegt, und dann führt er ihn ab, aber nicht ohne dem Juwelier zuvor noch eine Quittung über die Halskette und die zwölf gefälschten Hundertdollarscheine ausgestellt zu haben. Es handelt sich ja schließlich um Beweismaterial.«
»War es wirklich Falschgeld?«, fragte Shadow.
»Natürlich nicht! Druckfrische Banknoten, direkt von der Bank, nur ein paar davon mit einem Daumenabdruck und einem grünen Tintenfleck verziert, um sie etwas interessanter zu machen.«
Shadow nippte an seinem Kaffee. Er war schlechter als der, den er im Gefängnis bekommen hatte. »Der Cop war also offensichtlich kein Cop. Und die Halskette?«
»Ein Beweisstück«, sagte Wednesday. Er drehte den Deckel des Salzstreuers ab und schüttete einen kleinen Haufen Salz auf den Tisch. »Aber der Juwelier erhält eine Quittung und die Zusicherung, die Halskette zurückzubekommen, sobald Soapy vor Gericht gestellt wird. Er lässt sich zu seinem vorbildlichen Bürgersinn beglückwünschen und sieht – während er sich in Gedanken schon die Geschichte zurechtlegt, die er am morgigen Abend bei der Versammlung der Oddfellows zu erzählen haben wird – voller Stolz zu, wie der Polizist den Mann, der sich für einen Bischof ausgegeben hat, aus dem Laden abführt, zwölfhundert Dollar in der einen, ein Diamantenkollier im Wert von zwölfhundert Dollar in der anderen Tasche, auf dem Weg zu einer Polizeiwache, die keinen von beiden je zu Gesicht bekommen wird.«
Die Kellnerin war gekommen, um den Tisch abzuräumen. »Sagen Sie, meine Liebe«, sagte Wednesday. »Sind Sie verheiratet?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wirklich erstaunlich, dass sich noch niemand eine junge Dame von solchem Liebreiz unter den Nagel gerissen hat.« Er rührte mit der Fingerspitze in dem verschütteten Salz und malte darin gedrungene, klotzige, runenartige Umrisse. Die Kellnerin stand wie teilnahmslos neben ihm und erinnerte Shadow jetzt weniger an ein Reh als an ein Kaninchen, das von den Scheinwerfern eines großen Lastwagens erfasst wurde, erstarrt vor Angst und Unentschlossenheit.
Wednesday senkte die Stimme, sodass selbst Shadow, der nur auf der anderen Seite des Tisches saß, ihn kaum verstehen konnte. »Wann haben Sie Feierabend?«
»Um neun«, sagte sie und schluckte. »Spätestens halb zehn.«
»Und welches ist das beste Motel hier in der Gegend?«
»Es gibt ein Motel 6«, sagte sie. »Ist aber nichts Besonderes.«
Wednesday berührte mit seinen Fingerspitzen flüchtig den Handrücken, wobei er einige Krümel Salz hinterließ. Sie machte keine Anstalten, sie abzuwischen. »Für uns«, sagte er, seine Stimme ein fast unhörbares Murmeln, »wird es ein Palast der Freude sein.«
Die Kellnerin sah ihn an. Sie biss sich auf die dünnen Lippen, zögerte, dann nickte sie und flüchtete in die Küche.
»Also ehrlich«, sagte Shadow. »Die sieht ja kaum volljährig aus, das ist doch ungesetzlich.«
»Ich habe mir noch nie allzu viele Gedanken über Gesetzlichkeit gemacht«, erwiderte Wednesday. »Und ich habe sie nötig, nicht als Selbstzweck, sondern um mich ein bisschen aufzumöbeln. Schon König David wusste, dass es ein Patentrezept gibt, um warmes Blut durch einen alten Körper fließen zu lassen: Nimm dir eine Jungfrau, und du erhebst dich am nächsten Morgen in neuer Frische.«
Shadow fragte sich unwillkürlich, ob auch die Nachtportiersfrau neulich in dem Hotel in Eagle Point Jungfrau gewesen war. »Haben Sie keine Angst vor Krankheiten?«, fragte er, »Was ist, wenn Sie sie schwängern? Was, wenn sie einen Bruder hat?«
»Nein«, sagte Wednesday. »Ich habe keine Angst vor Krankheiten. Ich stecke mich nicht an. Und leider – zu großen Teilen leider – schießen Leute meines Schlages nur mit Platzpatronen, daher gibt es nicht sonderlich viele Kreuzungen. In den alten Zeiten war das anders. Heutzutage ist es zwar noch
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