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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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ihm anzubieten hatte, einen schmackhafteren Happen versprechen als sie selbst. Shadow fand die Situation äußerst unbehaglich: Es war, als würde man einen alten Wolf dabei beobachten, wie er sich an ein Reh heranmacht, das zu jung ist, um zu wissen, dass es, wenn es nicht davonläuft, und zwar auf der Stelle, auf einer entfernten Lichtung enden wird, wo die Knochen anschließend von den Raben abgenagt werden.
    Das Mädchen errötete abermals und teilte ihnen mit, dass es zum Nachtisch erstens Apfeltorte nach Art des Hauses gäbe – »Das ist mit einer Kugel Vanilleeis dazu« –, ferner Weihnachtskuchen nach Art des Hauses oder einen rotgrünen Schaumpudding. Wednesday sah ihr in die Augen und erklärte, er würde gern den Weihnachtskuchen nach Art des Hauses probieren. Shadow musste passen.
    »Ja, das Fiedelspiel ist ein ehrwürdiger Trick«, sagte Wednesday. »Es hat dreihundert Jahre oder mehr auf dem Buckel. Und wenn man es richtig anfängt, kann man es auch morgen noch spielen, egal, wo.«
    »Ich dachte, Sie hätten gesagt, Ihr Lieblingsbetrug wäre nicht mehr praktikabel.«
    »Das ist richtig. Aber das hier war ja auch nicht mein Lieblingsbetrug. Mein Lieblingsbetrug ist einer, den man als Bischofsspiel bezeichnet hat. Da war alles drin: Spannung, Täuschung, Beweglichkeit, Überraschung. Vielleicht, denke ich manchmal, mit ein paar kleinen Modifikationen vielleicht, könnte man ihn …« Er dachte eine Weile nach, schüttelte dann aber den Kopf. »Nein, seine Zeit ist vorbei. Wir sind, sagen wir mal, im Jahr 1920, in einer Stadt von mittlerer bis bedeutender Größe – Chicago vielleicht oder New York oder Philadelphia. Wir befinden uns in einem großen Juweliergeschäft. Ein Mann im Ornat eines Geistlichen – und zwar nicht irgendeines Geistlichen, sondern eines Bischofs, also in Purpur rot – betritt das Geschäft und sucht sich eine Halskette aus, eine herrliche und hinreißende Anfertigung aus Diamanten und Perlen, für die er ein Dutzend druckfrischer Hundertdollarscheine hinblättert.
    Der zuoberst liegende Schein hat einen kleinen grünen Tintenfleck, und der Geschäftsinhaber schickt das Geldbündel, höflich, aber bestimmt, zur Bankfiliale an der Ecke, um es prüfen zu lassen. Schon bald kehrt der Angestellte mit dem Geld zurück. Nach Auskunft der Bank handele es sich bei keinem der Scheine um eine Fälschung. Der Juwelier entschuldigt sich noch einmal, aber der Bischof ist überaus liebenswürdig und zeigt vollstes Verständnis für das Problem: Es gebe heutzutage so viele gottlose und gesetzesbrecherische Menschen auf der Welt, so viel Unmoral und Lüsternheit rings um uns herum – und schamlose Frauenzimmer noch und noch, und jetzt, da die Unterwelt aus der Gosse gekrochen sei und auf den Leinwänden der Filmpaläste ihr Unwesen treiben dürfe, was solle man da anderes erwarten? Die Halskette wird also in ihre Schatulle gelegt, und der Juwelier gibt sich alle Mühe, der Frage, warum ein Bischof eine diamantene Halskette für zwölfhundert Dollar kauft und dafür mit gutem Bargeld bezahlt, möglichst nicht näher zu treten.
    Der Bischof verabschiedet sich mit großer Herzlichkeit und geht hinaus auf die Straße, wo ihm allerdings sogleich eine schwere Hand auf die Schulter gelegt wird. ›Nanu, Soapy, alter Nichtsnutz, ziehste wieder deine alte Masche ab?‹ Und ein etwas vierschrötiger Streifenpolizist mit einem ehrlichen irischen Gesicht schleift den Bischof wieder in den Laden hinein.
    ›’tschuldigung, aber hat dieser Mann grade irgendwas bei Ihnen gekauft?‹, fragt der Cop. ›Gewiss nicht‹, sagt der Bischof. ›Sagen Sie ihm, dass es nicht so ist.‹ – ›Doch, in der Tat‹, sagt der Juwelier. ›Er hat soeben eine Halskette aus Perlen und Diamanten bei uns gekauft – und sie bar bezahlt.‹ – ›Hätten Sie die Scheine wohl griffbereit, Sir?‹, fragt der Cop.
    Der Juwelier nimmt also die zwölf Hundertdollarscheine aus der Kasse und gibt sie dem Polizisten, der sie gegen das Licht hält und verwundert den Kopf schüttelt. ›Ach, Soapy, Soapy‹, sagt er, ›das sind die Besten, die du je gemacht hast! Du bist wirklich ein Künstler, alles was Recht ist!‹
    Ein selbstzufriedenes Lächeln legt sich über das Gesicht des Bischofs. ›Sie können mir nichts beweisen‹, sagt der Bischof. ›Und die von der Bank behaupten auch, dass sie echt sind. Das sind keine Blüten.‹ – ›Klar sagen sie das‹, gibt der Polizist zu, ›aber ich möchte bezweifeln, dass die von der

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