American Gods
eine Menge von Tieren, verbrachte viel Zeit in einer Art Obdach für Tiere beziehungsweise half dort aus; die andere dagegen war an Tieren nicht weiter interessiert, glaubte dafür aber, ausgerüstet mit allerlei aus dem Internet oder dem Nachmittagsfernsehen zusammengetragenen Informationen, eine ganze Menge über die Sexualität der Menschen zu wissen. Shadow lauschte mit entsetzter, aber auch belustigter Faszination, wie das Mädchen, das sich für weltläufig hielt, in allen Einzelheiten die Technik des Gebrauchs von Alka-Seltzer-Tabletten zum Zwecke der Optimierung von Oralsex beschrieb.
Dann aber blendete er sie allmählich aus, blendete alles außer dem Geräusch der Straße aus, und nur hin und wieder drangen noch einige Gesprächsfetzen bis in sein Bewusstsein.
Goldie ist irgendwie so ein guter Hund und außerdem ein reinrassiger Retriever, wenn nur mein Dad sein Okay geben würde, er wedelt mit dem Schwanz, sobald er mich sieht.
Es ist Weihnachten, da muss er mich das Schneemobil benutzen lassen.
Du kannst mit der Zunge deinen Namen auf die Seite von seinem Ding schreiben.
Ich vermisse Sandy.
Yeah, ich vermisse Sandy auch.
Fünfzehn Zentimeter heute Nacht, haben sie gesagt, aber das erfinden die einfach nur, die erfinden das Wetter, und niemand kommt je auf die Idee, sich zu beschweren …
Und dann zischten die Bremsen des Busses, die Fahrerin rief »Lakeside!«, und die Türen gingen polternd auf. Shadow folgte den Mädchen hinaus auf den hell erleuchteten Parkplatz einer Videothek und eines Sonnenstudios, der, so Shadows Vermutung, auch als Greyhound-Station von Lakeside diente. Es war furchtbar kalt, wenn auch erfrischend. Die Kälte machte ihn wach. Er blickte stumm auf die Lichter der Stadt, die sich im Süden und Westen erstreckte, und auf die blasse Oberfläche eines zugefrorenen Sees im Osten.
Die Mädchen standen auf dem Parkplatz, stampften mit den Füßen und bliesen sich theatralisch in die Hände. Eine der beiden, die etwas jüngere, schielte in Shadows Richtung und lächelte verlegen, als sie merkte, dass er sie bei ihrer Tätigkeit beobachtet hatte.
»Fröhliche Weihnachten«, sagte Shadow.
»Yeah«, sagte das andere, vielleicht ein Jahr ältere Mädchen. »Danke gleichfalls.« Sie hatte rotblondes Haar und eine von hunderttausend Sommersprossen bedeckte Stupsnase.
»Nettes Städtchen, das Sie hier haben«, sagte Shadow.
»Uns gefällt’s«, sagte die Jüngere, die Tierfreundin. Sie zeigte Shadow ein schüchternes Grinsen, das ein Paar blaue Gummibandspangen über den Vorderzähnen freilegte. »Sie haben Ähnlichkeit mit jemandem«, sagte sie. »Sind Sie der Bruder von jemandem oder der Sohn oder sonst was?«
»Du bist echt behindert, Alison«, sagte ihre Freundin. »Jeder ist der Sohn von jemandem oder der Bruder oder sonst was .«
»Das meinte ich doch nicht«, sagte Alison. Für einen strahlend hellen Augenblick wurden sie alle drei von Scheinwerfern erfasst. Hinter den Scheinwerfern kam ein Kombi zum Vorschein, in dem eine Mutter saß, und es dauerte nicht lange, da fuhr der Wagen die Mädchen mitsamt ihren Koffern weg, und Shadow blieb ganz allein auf dem Parkplatz zurück.
»Junger Mann, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?« Der alte Mann schloss gerade die Videothek ab und steckte dann die Schlüssel in die Tasche. »Der Laden ist zu Weihnachten eigentlich gar nicht geöffnet«, teilte er Shadow fröhlich mit. »Aber ich bin vorbeigekommen, um den Bus abzupassen. Wollte sichergehen, dass alles in Ordnung ist. Könnte mir nicht verzeihen, sollte irgendeine arme Seele hier am Weihnachtstag stranden.« Er war jetzt nahe genug, dass Shadow sein Gesicht erkennen konnte: alt, aber zufrieden, das Gesicht eines Mannes, der den Essig des Lebens getrunken hatte und zu der Überzeugung gelangt war, dass es sich dabei, alles in allem, um Whiskey handelt, noch dazu um einen sehr guten.
»Tja, Sie könnten mir die Nummer des örtlichen Taxiunternehmens geben«, sagte Shadow.
»Das könnte ich«, sagte der Alte, legte aber einen skeptischen Gesichtsausdruck auf. »Nur wird Tom um diese Zeit längst im Bett liegen. Und selbst wenn Sie ihn wach kriegen, werden Sie damit nicht glücklicher werden – ich hab ihn schon früh am Abend in der Kneipe gesehen, und da war er bereits ziemlich fröhlich. Ausgesprochen fröhlich. Wo wollen Sie denn hin?«
Shadow zeigte ihm das Adressschild am Haustürschlüssel.
»Nun ja«, sagte er, »das ist ein Fußweg von zehn, vielleicht zwanzig
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