American Gods
bewahren.«
»Ich kenne ja keine von Ihnen«, sagte Shadow.
»Nun, Sie wissen, dass es meine Idee war, dieses Ding hier lila anzumalen, womit ich Paul Gunther dazu gebracht habe, sich in der gesamten Gegend derart lächerlich und verächtlich zu machen, dass er sich gezwungen gesehen hat, die Stadt gleich ganz zu verlassen. Wir waren damals ziemlich bekifft«.
»Gerade das wird kaum ein Geheimnis sein«, sagte Shadow. »Das müsste in Lakeside eigentlich jeder gewusst haben. Es ist ein ausgesprochen bekifftes Lila.«
Dann sagte sie, sehr leise, sehr schnell: »Falls Sie mich umbringen wollen, tun Sie mir bitte nicht weh. Ich hätte nicht mit Ihnen hierher kommen sollen. Ich bin so scheißbescheuert. Ich kann Sie identifizieren. Herrgott.«
Shadow seufzte. »Ich habe noch nie jemanden umgebracht. Wirklich. Und jetzt fahre ich mit Ihnen zur Kneipe. Wir werden zusammen was trinken. Wenn Sie wollen, dann wende ich auch und fahre Sie nach Hause. Wie auch immer, ich kann nur hoffen, dass Sie nicht die Polizei rufen.«
Es herrschte Schweigen, während sie über die Brücke fuhren.
»Wer hat die Männer getötet?«, fragte sie.
»Sie würden es mir nicht glauben, wenn ich’s Ihnen sage.«
»Würde ich wohl.« Sie klang jetzt ärgerlich. Shadow fragte sich, ob es klug gewesen war, den Wein zum Essen mitzubringen. Momentan war das Leben mit Sicherheit kein Cabernet.
»Es ist nicht leicht zu glauben.«
»Ich«, erklärte sie, »kann alles glauben. Sie haben ja keine Ahnung, was ich alles glauben kann.«
»Tatsächlich?«
»Ich kann Dinge glauben, die wahr sind, und ich kann Dinge glauben, die nicht wahr sind, und ich kann auch Dinge glauben, wo niemand weiß, ob sie wahr sind oder nicht. Ich kann an den Weihnachtsmann glauben und an den Osterhasen und an Marilyn Monroe und die Beatles und Elvis und Mister Ed, das sprechende Pferd. Also – ich glaube, dass die Menschen vervollkommnungsfähig sind, dass das Wissen unbegrenzt ist, dass die Welt von geheimen Bankkartellen regiert und regelmäßig von Außerirdischen besucht wird, von netten, die wie runzlige Lemuren aussehen, und von bösen, die Rinder verstümmeln und es auf unser Wasser und unsere Frauen abgesehen haben. Ich glaube, dass die Zukunft der letzte Scheiß sein wird, und ich glaube, dass es in der Zukunft total geil abgeht, und ich glaube, dass eines Tages die Weiße Büffelfrau zurückkehren und allen in den Arsch treten wird. Ich glaube, dass alle Männer nichts weiter sind als zu groß geratene Jungs mit einem ernsten Kommunikationsproblem und dass das Schwinden von gutem Sex hierzulande mit dem Verschwinden der Autokinos in einem Bundesstaat nach dem anderen zusammenfällt. Ich glaube, dass alle Politiker prinzipienlose Gauner sind, und ich glaube, dass sie trotzdem immer noch besser sind als die Alternative. Ich glaube, dass Kalifornien im Meer versinken wird, wenn das große Erdbeben kommt, während Florida am Ende nur noch aus Wahnsinn, Alligatoren und Giftmüll bestehen wird. Ich glaube, dass antibakterielle Seife unsere Widerstandskraft gegen Schmutz und Krankheiten zerstört, sodass wir eines Tages alle von einer ganz gewöhnlichen Erkältung dahingerafft werden, so wie die Marsmenschen in Krieg der Welten. Ich glaube, dass die größten Dichter des letzten Jahrhunderts Edith Sitwell und Don Marquis waren, dass Jade getrocknetes Drachensperma ist und dass ich in einem anderen Leben vor Tausenden von Jahren eine einarmige sibirische Schamanin war. Ich glaube, dass das Schicksal der Menschheit in den Sternen liegt. Ich glaube, dass die Süßigkeiten wirklich besser geschmeckt haben, als ich ein Kind war, dass Hummeln aus aerodynamischen Gründen unmöglich fliegen können, dass Licht sowohl eine Welle als auch ein Partikel ist, dass es irgendwo eine Katze in einer Kiste gibt, die lebendig und gleichzeitig tot ist (wenn man allerdings nicht irgendwann die Kiste öffnet, um sie zu füttern, werden es bald nur noch zwei verschiedene Arten von tot sein), und dass es Sterne im Universum gibt, die Milliarden von Jahren älter sind als das Universum selbst. Ich glaube an einen persönlichen Gott: Sie sorgt sich um mich und überwacht alles, was ich tue. Ich glaube an einen unpersönlichen Gott: Sie hat das Universum in Gang gesetzt und ist dann abgehauen, um mit ihren Freundinnen abzuhängen, und sie weiß gar nicht, dass es mich gibt. Ich glaube an ein leeres und götterloses Universum aus Chaos, Hintergrundrauschen und reinem, blindem Glück. Ich
Weitere Kostenlose Bücher