American Gods
ist verrückt. Ich komme mit auf die Wache, wenn du willst.«
»Sie haben genug Ärger verursacht, Ma’am«, sagte Shadow. Er klang müde, selbst in seinen Ohren. »Bitte hauen Sie ab.«
»Chad? Hast du das gehört? Er hat mich bedroht!«, sagte Audrey.
»Geh wieder rein, Audrey«, sagte Chad Mulligan. Es schien, als wollte sie widersprechen, aber dann presste sie die Lippen so fest zusammen, dass sie weiß wurden, und ging zurück in die Kneipe.
»Möchten Sie irgendwas von dem, was sie gesagt hat, kommentieren?«, fragte Chad Mulligan.
»Ich habe noch nie jemanden umgebracht«, sagte Shadow.
Chad nickte. »Ich glaube Ihnen«, sagte er. »Ich bin mir sicher, dass diese Anschuldigungen sich leicht klären lassen. Sie werden mir doch keine Schwierigkeiten machen, Mike, nicht wahr?«
»Keine Schwierigkeiten«, sagte Shadow. »Das ist alles ein Irrtum.«
»Genau«, sagte Chad. »Und daher, schätze ich, sollten wir zu meinem Büro fahren und die Sache dort klären.«
»Bin ich verhaftet?«, fragte Shadow.
»Nee«, sagte Chad. »Es sei denn, Sie möchten es. Ich schätze, Sie kommen jetzt einfach mit mir mit, weil Sie es für Ihre staatsbürgerliche Pflicht halten, und dann bringen wir das alles ins Reine.«
Er tastete Shadow nach Waffen ab. Danach stiegen sie in Mulligans Wagen. Diesmal saß Shadow wieder hinten und schaute durch das Metallgitter. Er dachte: SOS. Mayday. Hilfe. Er versuchte Mulligan mit der Kraft seiner Gedanken zu beeinflussen, wie er es schon mal bei einem Cop in Chicago getan hatte – Das hier ist doch dein alter Freund Mike Ainsel. Du hast ihm das Leben gerettet. Weißt du nicht, wie lächerlich das alles ist? Lass doch die Sache einfach fallen!
»Ich schätze, es war gut, dass wir Sie da rausgeholt haben«, sagte Chad. »Es hätte nur irgendein Großmaul gebraucht, dem plötzlich einfällt, dass Sie Alison McGoverns Killer sind, und schon hätten wir es mit einem Lynchmob zu tun bekommen.«
»Da haben Sie Recht.«
Den Rest der Fahrt über schwiegen sie. Das Polizeigebäude von Lakeside, erläuterte Chad, als sie davor hielten, gehöre dem Amt des Bezirkssheriffs. Die örtliche Polizei begnüge sich lediglich mit ein paar wenigen Räumen. In naher Zukunft werde der Bezirk irgendwas Modernes bauen. Bis dahin müssten sie sich eben mit dem begnügen, was sie hatten.
Sie gingen hinein.
»Sollte ich einen Anwalt verständigen?«, fragte Shadow.
»Es werden ja keine Beschuldigungen gegen Sie vorgebracht«, sagte Mulligan. »Es liegt an Ihnen.« Sie schoben sich durch einige Schwingtüren. »Setzen Sie sich da drüben hin.«
Shadow ließ sich auf einem Holzstuhl nieder, der an der Seite Brandspuren von Zigaretten hatte. Er fühlte sich blöd und taub. Am Schwarzen Brett hing, neben einem großen RAUCHEN-VERBOTEN-Schild, ein kleines Plakat: WIRD VERMISST stand darauf. Das Foto war das von Alison McGovern.
Es gab noch einen Holztisch, auf dem alte Ausgaben von Sports Illustrated und Newsweek lagen. Das Licht war schlecht. Die Wände waren gelb, mochten ursprünglich aber mal weiß gewesen sein.
Nach zehn Minuten brachte Chad ihm einen Becher mit wässrigem Automatenkakao. »Was ist denn in der Tüte?«, fragte er. Erst jetzt bemerkte Shadow, dass er noch immer die Plastiktüte mit den Protokollen des Stadtrats von Lakeside in der Hand hielt.
»Altes Buch«, sagte Shadow. »Ist ein Bild von Ihrem Großvater drin. Oder Urgroßvater vielleicht.«
»Ach ja?«
Shadow blätterte, bis er das Bild des Stadtrats gefunden hatte, dann zeigte er auf den Mann namens Mulligan. Chad kicherte. »Das gibt’s doch nicht«, sagte er.
Die Minuten vergingen, und dann auch Stunden. Shadow saß die ganze Zeit auf dem Stuhl, las zwei Nummern Sports Illustrated und nahm sich anschließend die Newsweek vor. Von Zeit zu Zeit kam Chad vorbei, einmal wollte er wissen, ob Shadow mal auf die Toilette müsse, ein anderes Mal bot er ihm ein Schinkenbrötchen und eine kleine Tüte Kartoffelchips an.
»Danke«, sagte Shadow. »Bin ich inzwischen verhaftet?«
Chad saugte Luft zwischen den Zähnen an. »Tja«, sagte er. »Noch nicht. Einerseits sieht es nicht so aus, als wären Sie auf gesetzlichem Wege zu dem Namen Mike Ainsel gekommen. Andererseits kann man sich in diesem Staat nennen, wie man will, sofern es nicht in betrügerischer Absicht geschieht. Bleiben Sie einfach locker.«
»Kann ich telefonieren?«
»Ein Ortsgespräch?«
»Ferngespräch.«
»Nehmen Sie meine Telefonkarte, das spart Geld; so viele
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