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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Möbelpolitur, ein ganz leiser Hauch von Formaldehyd schwang auch mit. Am anderen Ende war die Kapelle der Ruhe.
    Shadow bemerkte, dass er die Münze palmierte, sie wie unter Zwang auf der Handfläche hin und her und rundherum gleiten ließ. Das Gewicht der Münze wirkte beruhigend.
    Auf einem Papierzettel, der neben der Tür am anderen Ende des Flurs hing, stand der Name seiner Frau. Er betrat die Kapelle der Ruhe. Shadow kannte die meisten der Leute, die dort saßen: Lauras Kollegen, einige ihrer Freundinnen.
    Alle erkannten sie ihn. Er las es ihren Gesichtern ab. Aber niemand hielt ihm einen Gruß bereit, niemand ein Lächeln.
    Am Ende des Raums war ein kleines Podium und darauf stand ein cremefarbener Sarg, den eine Reihe von Blumenarrangements schmückten: scharlachrote und gelbe und weiße und dunkel-, ja blutig rote. Er trat einen Schritt vor. Von hier aus konnte er Lauras Leiche sehen. Er wollte nicht weitergehen, traute sich aber auch nicht, wieder wegzugehen.
    Ein Mann in dunklem Anzug – ein Angestellter des Bestattungsunternehmens, wie Shadow vermutete – sagte: »Sir? Möchten Sie sich ins Kondolenzbuch eintragen?« und machte ihn auf ein in Leder gebundenes Buch aufmerksam, das aufgeschlagen auf einem kleinen Pult lag.
    Er schrieb SHADOW und das Datum in seiner akkuraten Handschrift, dann setzte er langsam ein ›HÜNDCHEN‹ daneben, um noch nicht gleich zum Ende des Raums gehen zu müssen, wo sich die anderen Leute versammelt hatten und der Sarg war und das Ding in dem cremefarbenen Sarg, das einmal Laura gewesen war.
    Eine kleine Frau kam durch die Tür geschritten und blieb zögernd stehen. Ihr Haar spielte ins Kupferrote, und ihre Kleidung war teuer und sehr schwarz. Witwenkleidung, dachte Shadow, der sie gut kannte. Audrey Burton, Robbies Frau.
    Audrey hatte einen Veilchenstrauß in der Hand, um dessen Stiele Silberfolie gewickelt war. Wie etwas, was Kinder im Juni machen, dachte Shadow. Es war jetzt aber gar nicht die Zeit für Veilchen.
    Sie schritt durch den Raum auf Lauras Sarg zu. Shadow folgte ihr.
    Laura lag mit geschlossenen Augen da, die Arme über der Brust gefaltet. Sie trug ein konservatives blaues Kostüm, das er nicht wieder erkannte. Ihr langes braunes Haar hatte man ihr aus dem Gesicht gestrichen. Es war seine Laura und auch wieder nicht – die Ruhe, fand er, war unnatürlich für sie. Laura war immer eine so unruhige Schläferin gewesen.
    Audrey legte Laura den Veilchenstrauß auf die Brust. Für eine Weile arbeitete es in ihrem Mund, und dann spuckte sie heftig in Lauras totes Gesicht.
    Der Speichel traf Laura auf die Wange und tropfte gleich darauf in Richtung Ohr.
    Audrey war schon wieder auf dem Weg zur Tür. Shadow eilte ihr nach.
    »Audrey?«, sagte er.
    »Shadow? Bist du ausgebrochen? Oder haben sie dich rausgelassen?«
    Er fragte sich, ob sie wohl unter Beruhigungsmitteln stand. Ihre Stimme klang reserviert und wie unbeteiligt.
    »Gestern entlassen worden. Ich bin ein freier Mann«, sagte Shadow. »Was zum Teufel sollte das eben?«
    Sie blieb in dem dunklen Flur stehen. »Die Veilchen? Das waren ihre Lieblingsblumen. Als Kinder haben wir sie immer zusammen gepflückt.«
    »Ich meinte nicht die Veilchen.«
    »Oh, das «, sagte sie. Sie wischte sich irgendetwas Unsichtbares aus dem Mundwinkel. »Na, ich würde doch denken, das ist offensichtlich.«
    »Für mich nicht, Audrey.«
    »Man hat dir nichts erzählt?« Ihre Stimme war ruhig, emotionslos. »Als deine Frau starb, hatte sie den Schwanz von meinem Mann im Mund, Shadow.«
    Er ging zurück in die Leichenhalle. Die Spucke war bereits abgewischt worden.
     
    Nach dem Mittagessen – Shadow nahm es bei Burger King ein – fand das Begräbnis statt. Lauras cremefarbener Sarg wurde auf dem kleinen, konfessionell nicht gebundenen Friedhof am Rande der Stadt beigesetzt: eine uneingezäunte, hügelige Waldwiese mit Grabsteinen aus schwarzem Granit und weißem Marmor.
    Er fuhr im Wendelischen Leichenwagen zum Friedhof, zusammen mit Lauras Mutter. Mrs. McCabe schien der Ansicht zu sein, dass Lauras Tod in Shadows Verantwortung fiel. »Wenn du hier gewesen wärst«, sagte sie, »hätte das nicht passieren können. Mir war immer schleierhaft, warum sie dich überhaupt geheiratet hat. Ich hab ihr das auch gesagt. Immer wieder hab ich ihr das gesagt. Aber sie hören ja nicht auf ihre Mütter, nicht wahr?« Sie unterbrach sich, um sich Shadows Gesicht genauer anzusehen.
    »Hast du dich geprügelt?«
    »Ja«, sagte er.
    »Barbar«,

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