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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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übel werden würde.
    »Sag ihm, dass wir die verschissene Realität neu programmiert haben. Sag ihm, dass Sprache ein Virus ist und die Religion ein Betriebssystem, und Gebete sind nichts anderes als blödes Spam, das alle Mailboxen verstopft. Sag ihm das, oder ich mach dich kalt«, sagte der junge Mann freundlich aus dem Zigarettenrauch heraus.
    »Hab’s verstanden«, sagte Shadow. »Sie können mich hier rauslassen. Den Rest kann ich laufen.«
    Der junge Mann nickte. »Gut, dass wir uns unterhalten haben«, sagte er. Das Rauchen schien ihn milde gestimmt zu haben. »Du solltest wissen, dass wir dich, wenn wir dich kaltmachen, einfach löschen. Ein Mausklick, und du wirst mit beliebigen Einsen und Nullen überschrieben. Eine Undelete-Option gibt es nicht.« Er klopfte an das Fenster hinter ihm. »Er steigt hier aus«, sagte er. Dann wandte er sich wieder Shadow zu und zeigte auf seine Zigarette. »Synthetische Krötenhäute«, sagte er. »Wusstest du, dass man jetzt schon Bufotenin synthetisch herstellen kann?«
    Der Wagen hielt an, und die Tür wurde geöffnet. Shadow kletterte unbeholfen nach draußen. Die Fesseln wurden durchgeschnitten. Shadow drehte sich um. Das Innere des Wagens war zu einer einzigen schlingernden Rauchwolke geworden, in der zwei Lichter glitzerten, kupferfarben jetzt wie die wunderhübschen Augen einer Kröte. »Es dreht sich alles um das dominante Scheißparadigma, Shadow. Alles andere ist unwichtig. Ach, und übrigens, das mit deiner Alten tut mir echt Leid.«
    Die Tür ging zu, und die Stretchlimo fuhr leise davon. Shadow war noch ein paar hundert Meter von seinem Motel entfernt, also stapfte er los, atmete die kalte Luft ein, kam an roten und gelben und blauen Lichtern vorbei, die jede nur denkbare Variante von Fastfood anpriesen, solange es sich dabei um Hamburger handelte, und erreichte schließlich das Motel America ohne weitere Zwischenfälle.
     

3
    Jede Stunde bringt eine Wunde. Die letzte ist tödlich.
     – alte Redensart
     
     
    Hinter dem Empfang des Motels America stand eine dünne junge Frau. Sie teilte Shadow mit, dass er bereits von seinem Freund eingetragen worden sei, und übergab ihm einen rechteckigen Plastikzimmerschlüssel. Sie hatte hellblondes Haar und wies im Gesicht gewisse Nagetierzüge auf, die am auffälligsten waren, wenn sie misstrauisch wirkte, aber mildere Formen annahmen, wenn sie lächelte. Sie weigerte sich, ihm Wednesdays Zimmernummer zu verraten, und bestand darauf, Wednesday über das Haustelefon anzurufen, um ihm mitzuteilen, dass sein Gast eingetroffen sei.
    Wednesday trat aus einem Zimmer unten im Flur und winkte Shadow zu.
    »Wie war die Beerdigung?«, fragte er.
    »Sie ist vorbei«, sagte Shadow.
    »Möchten Sie darüber reden?«
    »Nein«, sagte Shadow.
    »Gut.« Wednesday grinste. »Es wird heutzutage eh zu viel geredet, Gerede, immer nur Gerede. Dieses Land würde viel besser zurechtkommen, wenn die Leute lernten, still zu leiden.«
    Wednesday ging zu seinem Zimmer voran, das dem von Shadow schräg gegenüberlag. Der ganze Raum war voller Landkarten, aufgefaltet, auf dem Bett ausgebreitet, an die Wände gepinnt. Wednesday hatte überall mit grellen Leuchtmarkierern hineingemalt, in leuchtendem Grün, schmerzendem Rosa und lebhaftem Orange.
    »Ich bin von einem dicken Jungen entführt worden«, sagte Shadow. »Ich soll Ihnen sagen, dass Sie auf den Misthaufen der Geschichte gehören, während Leute wie er in Limos über die Schnellstraße des Lebens düsen. So ungefähr jedenfalls.«
    »Kleiner Rotzlöffel«, sagte Wednesday.
    »Sie kennen ihn?«
    Wednesday zuckte die Achseln. »Ich weiß, wer er ist.« Er ließ sich schwer auf den einzigen Stuhl im Zimmer herabsinken. »Die haben keine Ahnung«, sagte er. »Die haben nicht die geringste Scheißahnung. Wie lange müssen Sie noch in der Stadt bleiben?«
    »Weiß nicht. Vielleicht noch eine Woche. Ich sollte wohl noch Lauras Angelegenheiten abwickeln. Mich drum kümmern, was mit der Wohnung wird, ihre Klamotten weggeben, solche Sachen eben. Ihre Mutter wird zwar Zustände kriegen, aber die Frau hat es verdient.«
    Wednesday nickte mit seinem mächtigen Kopf. »Na ja, je schneller Sie damit fertig sind, desto schneller können wir Eagle Point hinter uns lassen. Gute Nacht.«
    Shadow ging über den Flur. Sein Zimmer war eine Kopie dessen von Wednesday, bis hin zu der Reproduktion eines bluttriefenden Sonnenuntergangs, die an der Wand über dem Bett hing. Er bestellte sich eine türkische Pizza,

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