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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Schläfen, verzog das Gesicht und blieb still.
    Nun blickten alle auf Shadow. Der Wind kreischte mittlerweile. Er wusste nicht, was er sagen sollte. »Das alles ist eine ziemlich jämmerliche Angelegenheit«, sagte er schließlich. »Die Hälfte der Anwesenden hat ihn umgebracht oder hatte wenigstens die Hand mit im Spiel. Jetzt gebt ihr uns seine Leiche. Großartig. Er war ein aufbrausender alter Scheißer, aber ich habe seinen Met getrunken, und deshalb arbeite ich immer noch für ihn. Das ist alles.«
    »In einer Welt, in der Tag für Tag gestorben wird«, sagte Media, »ist es meines Erachtens wichtig festzuhalten, dass jedem Augenblick der Trauer, die wir empfinden, wenn jemand diese Welt verlässt , ein Augenblick der Freude gegenübersteht, wenn ein neues Baby auf die Welt kommt. Dieser erste Schrei ist – tja, er ist zauberhaft , nicht wahr? Vielleicht ist es hart , so was zu sagen, aber Freude und Leid sind wie Milch und Kekse. Die beiden passen nämlich genauso gut zusammen. Ich finde, wir sollten uns alle einen Moment Zeit nehmen, darüber nachzudenken.«
    Mr. Nancy räusperte sich und sagte: »Also. Ich werde es sagen, weil niemand sonst hier es tun wird. Wir befinden uns am Mittelpunkt dieses Landes: ein Land, das keine Zeit für Götter hat, und hier am Mittelpunkt hat es noch weniger Zeit für uns als anderswo. Es ist ein Niemandsland, ein Ort der Waffenruhe, und an diesem Ort befolgen wir die Waffenruhe. Uns bleibt nichts anderes übrig. Also. Ihr übergebt uns die Leiche unseres Freundes. Wir nehmen sie an. Ihr werdet dafür bezahlen, Mord für Mord, Blut für Blut.«
    »Na ja«, sagte Town. »Ihr könntet euch viel Zeit und Mühe sparen, wenn ihr nach Hause gehen und euch eine Kugel durch den Kopf jagen würdet. Wozu erst andere Leute damit behelligen?«
    »Scheiß auf dich«, sagte Tschernibog. »Scheiß auf dich und auf deine Mutter und auf das beschissene Pferd, auf dem du hergeritten bist. Du wirst niemals in der Schlacht sterben. Kein Krieger wird dein Blut schmecken. Kein Lebender wird dein Leben beenden. Du wirst eines weichen, armseligen Todes sterben. Du wirst mit einem Kuss auf den Lippen und einer Lüge im Herzen sterben.«
    »Lass gut sein, alter Mann«, sagte Town.
    »Blutgeblendete Strömungen sind losgelassen« , sagte der dicke Junge. »Ich glaube, das kommt als Nächstes.«
    Der Wind heulte.
    »Okay«, sagte Loki. »Er gehört jetzt euch. Wir sind fertig. Schafft den alten Bastard weg.«
    Er gab mit den Fingern ein Zeichen, worauf Town, Media und der dicke Junge das Zimmer verließen. Er lächelte Shadow zu. »Heiße keinen Menschen glücklich, hm, mein Junge?« Und dann ging auch er weg.
    »Was passiert jetzt?«, fragte Shadow.
    »Jetzt wickeln wir ihn ein«, sagte Anansi. »Und dann bringen wir ihn hier weg.«
    Sie wickelten die Leiche in die Motelbettlaken ein, schlugen sie so sorgfältig in ihr improvisiertes Leichentuch, dass sie nicht als Leiche zu erkennen war und man sie zudem gut tragen konnte. Die beiden alten Männer stellten sich zu beiden Enden des Bündels auf, aber Shadow hielt sie zurück. »Lasst mich mal was ausprobieren«, sagte er, ging in die Hocke, schlang die Arme um die weiß umhüllte Gestalt und wuchtete sie sich auf die Schulter. Er drückte die Knie durch, bis er, mehr oder weniger mühsam, aufrecht stand. »Okay«, sagte er. »Ich habe ihn. Legen wir ihn hinten ins Auto.«
    Tschernibog schien Einspruch erheben zu wollen, machte den Mund aber gleich wieder zu. Er spuckte sich auf Zeigefinger und Daumen und drückte nacheinander mit den Fingerspitzen die Kerzen aus. Shadow hörte es zischen, während er das dunkel werdende Zimmer verließ.
    Wednesday war schwer, aber Shadow kam zurecht, solange er nur gleichmäßig ausschritt. Er konnte nichts dagegen tun: Wednesdays Worte begleiteten ihn bei jedem Schritt durch den Flur, und ganz tief in der Kehle konnte er die säuerliche Süße des Mets schmecken. Sie beschützen mich. Sie befördern mich von einem Ort zum anderen. Sie machen Besorgungen. Im Notfall, aber nur im Notfall, tun Sie Leuten weh, denen wehgetan werden muss. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass ich zu Tode komme, halten Sie die Totenwache …
    Mr. Nancy hielt ihm die Eingangstür auf, dann lief er zum Bus voraus und öffnete die Hecktür. Die anderen vier standen bereits bei ihrem Ungetüm von Geländewagen und sahen ihnen zu, als könnten sie es nicht erwarten, endlich abzufahren. Loki hatte die Fahrermütze wieder aufgesetzt.

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