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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Schirmmütze.
    »Keinen Schlaf gefunden, Sir?«
    »Nein«, sagte Shadow.
    »Zigarette, Sir?«
    »Nein, danke.«
    »Macht’s Ihnen was aus, wenn ich rauche?«
    »Aber nein, nur zu.«
    Der Fahrer benutzte ein Bic-Wegwerffeuerzeug, und jetzt im gelben Licht der Flamme sah Shadow das Gesicht des Mannes, sah es tatsächlich zum ersten Mal, er erkannte ihn und begann, so einiges zu begreifen.
    Dieses dünne Gesicht war ihm vertraut. Er wusste, dass sich unter der schwarzen Fahrermütze sehr kurz geschorene orange Haare verbargen. Er wusste, dass die Lippen des Mannes sich, wenn er lächelte, zu einem Netzwerk rauer Narben zerknittern würden.
    »Siehst gut aus, Langer«, sagte der Fahrer.
    »Low Key?« Shadow starrte seinen alten Zellengenossen misstrauisch an.
    Knastfreundschaften sind eine gute Sache, sie helfen einem durch schlimme Zeiten an einem üblen Ort. Aber eine Knastfreundschaft endet am Gefängnistor, und ein Knastfreund, der einem im zivilen Leben wieder begegnete, war in aller Regel mit Vorsicht zu genießen.
    »Jesses. Low Key Lyesmith«, sagte Shadow, und dann hörte er, was er gesagt hatte, und der Groschen fiel: »Loki«, sagte er. »Loki der Lügenschmied.«
    »Du bist schwer von Begriff«, sagte Loki, »aber irgendwann klappt’s auch bei dir.« Er verzog die Lippen zu einem narbenhaften Lächeln, und in den Schatten seiner Augen tanzte die Glut.
     
    Sie saßen im aufgegebenen Motel in Shadows Zimmer, saßen sich auf dem Bett gegenüber, jeder an einem Ende der Matratze. Die Geräusche aus dem Zimmer des dicken Jungen waren weitgehend abgeebbt.
    »Es war ein Glück für dich, dass wir zusammen gesessen haben«, sagte Loki. »Ohne mich hättest du das erste Jahr niemals überlebt.«
    »Hättest du nicht, wenn dir danach gewesen wäre, einfach rausspazieren können?«
    »Es ist leichter, die Zeit einfach abzusitzen.« Er hielt kurz inne. »Du musst die Geschichte mit dem Gottsein richtig verstehen. Es geht nicht um Zauberei. Es geht darum, du zu sein, aber das Du , an das die Leute glauben. Es geht darum, die konzentrierte, erhöhte Wesenheit des Du zu sein. Es geht darum, Donner zu werden, um die Kraft eines Rennpferdes oder um Weisheit. Du nimmst all den Glauben und wirst größer und cooler, eben übermenschlich. Du kristallisierst.« Wieder machte er eine Pause. »Und dann vergessen sie dich eines Tages und glauben nicht mehr an dich, sie opfern nicht mehr, es interessiert sie gar nicht mehr, und ehe man’s sich versieht, steht man an der Ecke Broadway und Vierunddreißigste und schlägt sich mit betrügerischen Kartenspielereien durch.«
    »Warum warst du in einer Zelle mit mir?«
    »Zufall. Schlicht und einfach.«
    »Und jetzt spielst du den Fahrer für die Opposition.«
    »Wenn du sie so nennen willst. Kommt ganz auf den Standpunkt an. So wie ich das sehe, fahre ich für das Siegerteam.«
    »Aber du und Wednesday, ihr seid vom gleichen, ihr seid beide …«
    »Vom nordischen Pantheon. Wir kommen beide aus dem altnordischen Pantheon. War’s das, was du sagen wolltest?«
    »Ja.«
    »Ja und?«
    Shadow zögerte. »Ihr müsst Freunde gewesen sein. Früher.«
    »Nein. Freunde waren wir nie. Es tut mir Leid, dass er tot ist. Aber er hat uns alle klein gehalten. Jetzt, wo er weg ist, werden die anderen sich den Tatsachen stellen müssen: Es heißt Wandel oder Untergang, entwickle dich weiter oder gehe zugrunde. Er ist weg. Der Krieg ist vorbei.«
    Shadow sah ihn verwirrt an. »Das glaubst du ja wohl selbst nicht«, sagte er. »Du warst doch immer so schlau. Wednesdays Tod wird gar nichts beenden. Im Gegenteil, alle die, die ihr Pulver bisher nicht nass machen wollten, graben jetzt das Kriegsbeil aus.«
    »Wüstes Durcheinander von Metaphern, Shadow. Schlechte Angewohnheit.«
    »Egal«, sagte Shadow. »Es ist trotzdem wahr. Mein Gott. Was er die ganzen letzten Monate versucht hat zustande zu bringen, das hat sein Tod innerhalb von einer Sekunde bewirkt. Das hat sie alle zusammengeschlossen. Hat ihnen etwas gegeben, an das sie glauben können.«
    »Mag sein.« Loki zuckte die Achseln. »Soviel ich weiß, war das Kalkül auf dieser Seite, dass man die Unruhe am besten beseitigt, indem man den Unruhestifter aus dem Weg räumt. Ich habe allerdings mit all dem nichts zu schaffen. Ich bin nur der Fahrer.«
    »Dann verrate mir doch mal«, sagte Shadow, »warum die so einen Wind um mich machen? Die tun alle so, als sei ich wer weiß wie wichtig. Warum soll das, was ich tue, irgendwie von Bedeutung

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