American Gods
Ohrenschützern.
Shadow kaufte sich ein paar Sachen zum Lesen – Turkey Hunting, People und, weil das Titelbild von Bigfoot so reizend war, eine Weekly World News – und beobachtete währenddessen aus dem Fenster die andere Straßenseite.
»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, fragte ihn ein Schwarzer mittleren Alters mit weißem Schnäuzer. Er schien der Filialleiter zu sein.
»Danke, Mann, aber nein. Ich warte hier auf einen Anruf. Meine Freundin ist mit dem Auto liegen geblieben.«
»Wahrscheinlich die Batterie«, sagte der Mann. »Die Leute vergessen immer, dass diese Dinger nur drei, höchstens vier Jahre halten. Dabei ist es ja nicht so, dass sie ein Vermögen kosten würden.«
»Wem erzählen Sie das«, sagte Shadow.
»Nicht unterkriegen lassen, Langer«, sagte der Filialleiter und verschwand wieder zwischen den Regalen.
Der Schnee hatte das Geschehen auf der Straße in die Szenerie einer Schneekugel verwandelt, stimmig bis in alle Einzelheiten.
Shadow war beeindruckt. Da er die Unterhaltungen auf der anderen Straßenseite nicht hören konnte, war ihm, als würde er den ausdrucksstarken Darstellern eines Stummfilms zusehen: Der alte Wachmann war ruppig, ernsthaft – ein bisschen ungeschickt vielleicht, aber außerordentlich wohlmeinend. Jeder, der ihm sein Geld anvertraute, schätzte sich anschließend offenbar glücklich, ihn kennen gelernt zu haben.
Plötzlich fuhren Cops vor der Bank vor, und Shadow sank der Mut. Wednesday tippte grüßend an die Mütze und schlenderte auf den Streifenwagen zu. Er sagte Hallo und schüttelte den Beamten durchs offene Fenster die Hand, dann nickte er und fuhr suchend durch seine Taschen, bis er eine Geschäftskarte und einen Brief gefunden hatte, die er anschließend durchs Autofenster reichte. Dann nippte er an seinem Kaffee.
Das Telefon klingelte. Shadow nahm den Hörer ab und tat sein Bestes, möglichst gelangweilt zu klingen. »Eins-A-Sicherheitsdienst«, sagte er.
»Kann ich bitte mit A. Haddock sprechen?«, bat der Polizist auf der anderen Straßenseite.
»Ja, Andy Haddock am Apparat«, sagte Shadow.
»Yeah, Mr. Haddock, hier ist die Polizei«, sagte der Cop im Auto gegenüber. »Sie haben einen Mann an der First Illinois Bank stehen, Ecke Market und Second.«
»Äh, ja. Das ist richtig. Jimmy O’Gorman. Stimmt irgendwas nicht, Officer? Er führt sich doch ordentlich auf? Oder ist er etwa am Trinken?«
»Nein, kein Problem, Sir. Ihr Mann verhält sich tadellos. Wollte mich nur davon überzeugen, dass alles in Ordnung ist.«
»Sie können Jim sagen, Officer, wenn er wieder beim Trinken erwischt wird, dann ist er gefeuert. Okay? Arbeitslos. Auf der Straße. Wir fahren auf der Null-Toleranz-Schiene hier bei Eins-A-Sicherheit.«
»Ich glaube wirklich nicht, dass es mir zukommt, ihm das zu sagen, Sir. Er macht seine Sache sehr gut. Wir sind nur etwas besorgt, weil solche Dinge eigentlich von zwei Leuten erledigt werden sollten. Es ist ziemlich riskant, einen einzelnen unbewaffneten Wachmann mit solchen großen Geldsummen hantieren zu lassen.«
»Wem sagen Sie das. Genauer gesagt, erzählen Sie das mal diesen Knickstiefeln bei der First Illinois. Es sind immerhin meine Männer, die ich diesem Risiko aussetzen muss. Gute Männer. Männer wie Sie.« Shadow fand langsam Geschmack an seiner angenommenen Identität. Er fühlte sich mit Andy Haddock eins werden, eine angekaute billige Zigarette im Aschenbecher, einen Stapel Papierkram vor sich, der an diesem Samstagnachmittag seiner Erledigung harrte, eine Suite im Schaumburg und eine Geliebte in einer kleinen Wohnung am Lake Shore Drive. »Ehrlich, Sie machen mir den Eindruck eines intelligenten jungen Mannes, Officer, äh …«
»Myerson.«
»… Officer Myerson. Wenn Sie mal einen Job fürs Wochenende brauchen oder aus irgendeinem Grund bei der Polizei mal die Schnauze voll haben, rufen Sie uns an. Gute Leute können wir immer gebrauchen. Haben Sie meine Karte?«
»Ja, Sir.«
»Werfen Sie sie nicht weg«, sagte Andy Haddock. »Rufen Sie mich an.«
Der Streifenwagen fuhr weg, und Wednesday schlurfte durch den Schnee zurück, um sich der kleinen Schlange von Menschen zu widmen, die ihm ihr Geld aushändigen wollten.
»Alles in Ordnung?« Der Filialleiter steckte den Kopf hervor. »Mit Ihrer Freundin?«
»Es war tatsächlich die Batterie«, sagte Shadow. »Jetzt bleibt mir nichts übrig, als zu warten.«
»Frauen«, sagte der Filialleiter. »Ich hoffe, Ihre ist das Warten
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