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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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selbst.
    »Scheiße, ja«, sagte Wednesday. Er bog auf den Parkplatz einer Bank ein. »Das hier«, sagte er, »ist die Bank, die ich ausrauben werde. Die machen aber erst in ein paar Stunden zu. Gehen wir rein und sagen Hallo.«
    Er winkte Shadow, ihm zu folgen. Zögernd stieg Shadow aus dem Wagen. Falls der alte Mann etwas Dummes vorhatte, sah Shadow keinen Grund, warum sein Gesicht auf der Kamera zu sehen sein sollte. Aber die Neugier zog ihn mit, und so betrat auch er den Schalterraum. Er hielt den Kopf gesenkt, rieb sich ausführlich die Nase und tat sein Möglichstes, das Gesicht verborgen zu halten.
    »Einzahlungsformulare, Ma’am?«, sprach Wednesday eine einsame Kassiererin an.
    »Da drüben.«
    »Sehr gut. Und falls ich eine Einlage außerhalb der Geschäftszeit zu machen hätte?«
    »Selbes Formular.« Sie lächelte ihm zu. »Wo der Briefkasten ist, wissen Sie? Die Eingangstür links raus, in der Wand.«
    »Ich danke Ihnen.«
    Wednesday nahm mehrere Einzahlungsformulare an sich. Er grinste der Kassiererin zum Abschied zu, dann verließen Shadow und er das Gebäude wieder.
    Wednesday blieb einen Moment auf dem Bürgersteig stehen und kratzte sich nachdenklich den Bart. Dann ging er hinüber zum Geldautomaten und zum Tag-Nacht-Tresor, die in die Hauswand eingelassen waren, und nahm sie in Augenschein. Er führte Shadow über die Straße zum Supermarkt, wo er ein Schokolade-Karamel-Eis für sich und eine Tasse heißen Kakao für Shadow kaufte. In die Wand neben dem Eingang war ein Münztelefon eingelassen, unterhalb einer Anschlagtafel mit »Zu vermieten«-Angeboten und kleinen Hunden und Katzen auf der Suche nach einem guten Zuhause. Wednesday schrieb sich die Nummer des Münztelefons auf. Erneut überquerten sie die Straße. »Was wir jetzt brauchen«, sagte Wednesday plötzlich, »ist Schnee. Ein schönes, lästiges Schneetreiben. Denken Sie doch mal ›Schnee‹ für mich, ja?«
    »Hä?«
    »Konzentrieren Sie sich darauf, diese Wolken – die da drüben, im Westen – größer und dunkler zu machen. Denken Sie grauer Himmel und peitschende Winde, die von der Arktis herwehen. Denken Sie Schnee.«
    »Ich glaube nicht, dass das irgendwas nützt.«
    »Unsinn. Auf alle Fälle wird es Ihren Kopf beschäftigen«, sagte Wednesday, indem er das Auto aufschloss. »Wir fahren jetzt zu einem Kopierladen. Beeilen Sie sich.«
    Schnee , dachte Shadow auf dem Beifahrersitz, während er die heiße Schokolade schlürfte. Riesige, Schwindel erregende Klumpen von Schnee, die durch die Luft fallen, große Flecken von Weiß vor einem eisengrauen Himmel, Schnee, der einem die Zunge mit Kälte und Winter belegt, der einem mit seinem zögernden Aufprall das Gesicht küsst, bevor er einen einfriert. Riesige Zuckerwatteflocken, die eine Märchenwelt schaffen und alles so schön machen, dass man es nicht wieder erkennt …
    Wednesday redete mit ihm.
    »Was, wie bitte?«, sagte Shadow.
    »Ich sagte, wir sind da. Sie waren wohl gerade woanders.«
    »Ich dachte an Schnee«, sagte Shadow.
    Im Kopierladen machte Wednesday sich daran, die Einzahlungsbelege aus der Bank zu fotokopieren. Von einem Angestellten ließ er sich zwei Sätze von je zehn Geschäftskarten drucken. Shadow bekam Kopfschmerzen und hatte ein unangenehmes Gefühl zwischen den Schulterblättern; er fragte sich, ob er beim Schlafen falsch gelegen hatte, ob die Kopfschmerzen ein unglückliches Vermächtnis der Nacht auf dem Sofa waren.
    Wednesday saß am Computer, setzte einen Brief auf und entwarf, mit Hilfe des Angestellten, mehrere großformatige Schilder.
    Schnee, dachte Shadow. Hoch oben in der Atmosphäre, kleine, vollkommene Kristalle, die sich um ein winziges Stückchen Staub bilden, jedes ein Spitzen ähnliches Werk fraktaler Kunst. Und jetzt klumpen sich die Schneekristalle zu Flocken zusammen, während sie hinunterfallen und Chicago mit ihrer weißen Fülle bedecken, Zentimeter für Zentimeter …
    »Hier«, sagte Wednesday. Er reichte Shadow einen Becher Automatenkaffee, auf dem ein halb aufgelöster Klumpen Kaffeeweißer schwamm. »Ich glaube, das ist genug, finden Sie nicht auch?«
    »Genug was?«
    »Genug Schnee. Wir wollen doch nicht die ganze Stadt lahmlegen, oder?«
    Der Himmel war von einem gleichmäßigen mattierten Grau. Schnee war zu erwarten. Jawohl.
    »Das hab ich doch nicht wirklich gemacht?«, sagte Shadow. »Ich mein, hab ich nicht, oder?«
    »Trinken Sie den Kaffee«, sagte Wednesday. »Ist total übles Zeug, aber es lindert die Kopfschmerzen.«

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