Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
aussah, als könnte er aus Italien kommen.
    »Wenn wir in Madison sind, was kommt dann?«
    »Nehmen Sie den Highway 14 in Richtung Westen nach Spring Green. Wir werden alle an einem Ort namens House on the Rock zusammentreffen. Schon mal dort gewesen?«
    »Nein«, sagte Shadow. »Aber ich hab die Hinweisschilder gesehen.«
    Die Hinweise auf das Haus auf dem Felsen waren in diesem Teil der Welt allgegenwärtig: versteckte, uneindeutige Schilder überall in Illinois und Minnesota und Wisconsin, wahrscheinlich bis runter nach Iowa, wie Shadow vermutete, Schilder, die in all ihrer Rätselhaftigkeit nachdrücklich auf die Existenz des House on the Rock aufmerksam machten. Shadow hatte beim Anblick der Schilder Überlegungen darüber angestellt. Balancierte das Haus irgendwo gefährlich weit oben auf dem Felsen? Was war so interessant an dem Felsen? An dem Haus? Diese Gedanken waren aber nur flüchtiger Natur gewesen. Shadow hatte nicht die Angewohnheit, Sehenswürdigkeiten am Wegesrand zu besichtigen.
    In Madison verließen sie die Interstate und fuhren an der Kuppel des Kapitolgebäudes vorbei, wiederum eine perfekte Schneekugelszenerie, und von da an ging es über Landstraßen weiter. Nach fast einer Stunde Fahrt durch Ortschaften mit Namen wie Black Earth bogen sie in eine schmale Zufahrt ein, vorbei an mehreren gewaltigen, schneebestäubten Blumenkübeln, um die sich echsenartige Drachen schlangen. Der von Bäumen gesäumte Parkplatz war weit gehend leer.
    »Die schließen bald«, sagte Wednesday.
    »Was ist das hier jetzt eigentlich für ein Laden?«, fragte Shadow, als sie über den Parkplatz auf ein niedriges, wenig beeindruckendes Holzgebäude zugingen.
    »Es ist eine Sehenswürdigkeit«, sagte Wednesday. »Eine der großartigsten. Soll heißen, es ist ein Ort der Macht.«
    »Wie bitte?«
    »Es ist ganz einfach«, sagte Wednesday. »In anderen Ländern haben die Menschen im Laufe der Zeit die Orte der Macht erkannt. Manchmal handelte es sich um ein Naturgebilde, manchmal war es einfach ein Ort, der irgendetwas Besonderes hatte. Sie wussten, dass sich dort etwas Bedeutendes zutrug, dass es dort einen Fokuspunkt, eine Art Kanal oder Fenster zum Immanenten gab. Also bauten sie Tempel oder Kathedralen oder errichteten Steinkreise oder … Na ja, Sie verstehen wohl, worum es geht.«
    »Kirchen gibt es aber auch in den Vereinigten Staaten überall«, sagte Shadow.
    »In jeder Stadt. Mitunter in jeder Straße. Aber alle, im genannten Zusammenhang, so bedeutsam wie eine Zahnarztpraxis. Nein, auch in den USA empfangen die Menschen noch immer den Ruf, jedenfalls einige davon; sie fühlen sich aus der transzendentalen Leere angerufen und reagieren darauf, indem sie aus Bierflaschen das Modell eines Ortes bauen, den sie nie besucht haben, oder indem sie ein riesiges Fledermaushaus in Gegenden errichten, die von Fledermäusen traditionell gemieden werden. Sehenswürdigkeiten: Menschen fühlen sich von Orten angezogen, wo sie, in anderen Gegenden der Welt, den Teil ihrer selbst erkennen würden, der wahrhaft transzendent ist; hier aber kaufen sie sich einen Hotdog und gehen ein bisschen herum und sind auf einer Ebene, die sie kaum beschreiben können, recht zufrieden, auf der Ebene darunter aber fühlen sie sich zutiefst unbefriedigt.«
    »Sie haben da ein paar ganz schön abgedrehte Theorien«, sagte Shadow.
    »Daran ist nichts Theoretisches, junger Mann«, sagte Wednesday. »Das müssten Sie mittlerweile eigentlich mitbekommen haben.«
    Es war nur ein Kartenverkaufsfenster geöffnet. »In einer halben Stunde schließen wir«, sagte das junge Mädchen dort. »Bedenken Sie, dass ein vollständiger Rundgang mindestens zwei Stunden dauern würde.«
    Wednesday zahlte für zwei Tickets.
    »Wo ist der Felsen?«, fragte Shadow ihn.
    »Unter dem Haus«, sagte Wednesday.
    »Und wo ist das Haus?«
    Wednesday legte einen Finger auf die Lippen. Sie gingen los. Weiter drinnen hörte man einen Pianisten etwas spielen, was mit hoher Wahrscheinlichkeit Ravels Bolero sein sollte. Das Gebäude schien eine geometrisch rekonfigurierte Junggesellenbude aus den Sechzigerjahren zu sein, mit offenem Mauerwerk, Florteppichen und grandios hässlichen pilzförmigen Farbglaslampenschirmen. Oberhalb einer Wendeltreppe befand sich ein weiterer mit Schnickschnack voll gepackter Raum.
    »Man sagt, das hier sei von Frank Lloyd Wrights missratenem Zwillingsbruder gebaut worden«, sagte Wednesday. »Frank Lloyd Wrong.« Er kicherte über seinen Witz.
    »Den

Weitere Kostenlose Bücher