American Psycho
Calera-Jensen-Pinot-Noir und Chappellet-Chardonnay. Zwanzig Jahre alte Portweine sind auf einer provisorischen Bar zwischen Vasen mit Weihnachtssternen aufgereiht. Ein langer Klapptisch ist mit einer roten Tischdecke bedeckt und vollgestellt mit Schalen, Tellern und Schüsseln mit gerösteten Haselnüssen und Hummer und Austerncremesuppe und Selleriesuppe mit Äpfeln und Beluga-Kaviar auf Toastecken und Rahmzwiebeln und gerösteter Gans mit Maronen-Füllung und Kaviar in Blätterteig und Gemüsequiches mit Tapenade, gerösteter Ente und gegrilltem Kalbsrücken mit Schalotten und Gnocchi-Gratin und Gemüsestrudel und Waldorf-Salat und Kammuscheln und Bruschette mit Mascarpone und weißen Trüffeln und Soufflé von grünem Chili, und geröstetem Rebhuhn mit Salbei, Kartoffeln und Zwiebeln und Preiselbeersauce, Mincemeat Pies und Schokoladentrüffeln und Zitronensoufflétorten und Tarte Tatin mit Pekanüssen. Überall brennen Kerzen, alle in Tiffany-Kerzenhaltern aus Sterlingsilber. Ich weiß wirklich nicht, ob ich halluziniere, aber hier scheinen Liliputaner in rot-grüner Gartenzwergkluft mit Tabletts voll Häppchen herumzulaufen. Ich tue so, als hätte ich nichts bemerkt, und steuere direkt auf die Bar zu, wo ich ein Glas gar nicht mal schlechten Champagners kippe, und dann begebe ich mich zu Donald Petersen, dem man, wie den meisten Männern hier, ein Papiergeweih auf dem Kopf befestigt hat. Auf der anderen Seite des Raums trägt Cassandra, die fünfjährige Tochter von Maria und Darwin Hutton, ein 700-Dollar-Samtkleid mit Petticoat von Nancy Halse. Nach einem zweiten Glas Champagner gehe ich zu Martinis über – doppelte mit Absolut –, und nachdem ich mich ausreichend beruhigt habe, inspiziere ich den Raum noch einmal genau, aber die Liliputaner sind noch da.
»Zuviel rot«, murmele ich wie in Trance vor mich hin. »Macht mich nervös.«
»Hey, McCloy«, sagt Petersen. »Wie findest du das?«
Ich fange mich wieder und frage automatisch: »Ist das die Les-Misérables-Aufnahme mit der britischen Besetzung?«
»Hey, ein super-duper Weihnachten wünsch ich dir.« Er zeigt betrunken mit dem Finger auf mich.
»Was ist denn das für Musik?« frage ich, völlig verärgert. »Und außerdem, Sir, Apfel, Nuß und Mandelkern, haben alle Kinder gern.«
»Bill Septor«, sagt er und zuckt mit den Schultern. »Ich glaube Septor oder Skeptor.«
»Warum legt sie um Gottes willen nicht Talking Heads auf«, beklage ich mich verbittert.
Courtney steht am anderen Ende des Zimmers, hält ein Champagnerglas und ignoriert mich völlig.
»Oder Les Miz «, schlägt er vor.
»Die Aufnahme des amerikanischen oder des britischen Ensembles?« Meine Augen verengen sich, ich stelle ihn auf die Probe.
»Äh, die britische«, sagt er, während Zwergenhände jedem von uns einen Teller Waldorfsalat reichen.
»Mit Sicherheit«, murmele ich und starre dem davonwatschelnden Zwerg nach.
Plötzlich kommt Evelyn auf uns zu. Sie trägt eine sandfarbene Jacke und eine Samthose von Ralph Lauren, und in einer Hand hält sie einen Mistelzweig, den sie über meinen Kopf hält, und in der anderen eine Zuckerstange.
»Mistelzweig-Alarm!« juchzt sie und küßt mich trocken auf die Wange. »Fröhliche Weihnachten, Patrick. Fröhliche Weihnachten, Jimmy.«
»Fröhliche … Weihnachten«, sage ich und kann sie nicht wegstoßen, weil ich einen Martini in der einen und einen Waldorfsalat in der anderen Hand habe.
»Du bist zu spät gekommen, Liebling«, sagt sie.
»Ich bin nicht zu spät gekommen«, sage ich, kaum protestierend.
»Doch, bist du«, sagt sie im Singsang.
»Ich war die ganze Zeit hier«, sage ich und schiebe sie weg.
»Du hast mich nur nicht gesehen.«
»Oh, hör auf, so finster zu gucken. Du bist ein richtiger Gremlin.« Sie wendet sich zu Petersen. »Hast du gewußt, daß Patrick ein Gremlin ist?«
»Ach, Humbug«, seufze ich und starre rüber zu Courtney. »Teufel, wir alle wissen, daß McCloy ein Gremlin ist«, schwadroniert Petersen betrunken. »Wie geht’s, Herr Gremlin?«
»Und was wünscht sich mein Gremlin zu Weihnachten?« fragt Evelyn mit Kleinmädchenstimme. »War mein Gremlin dieses Jahr auch artig?«
Ich seufze. »Der Gremlin wünscht sich einen Burberry-Regenmantel, einen Kaschmir-Pullover von Ralph Lauren, eine neue Rolex, eine Auto-Anlage …«
Evelyn hört auf, an ihrer Zuckerstange zu lutschen, um mich zu unterbrechen. »Aber du hast kein Auto, Liebling.«
»Ich will trotzdem eine.« Ich seufze noch mal.
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