Amerika
Örtlichkeiten, wo man sich bis zum Seligwerden unterhielt. Und Robinson begann im Anschluß daran mit vollem Mund ein Lied zu singen, das Delamarche mit Händeklatschen begleitete und das Karl als eine
Operettenmelodie aus seiner Heimat erkannte, die ihm hier mit dem englischen Text viel besser gefiel, als sie ihm je zu Hause gefallen hatte. So gab es eine kleine Vorstellung im Freien, an der alle Anteil nahmen, nur die Stadt unten, die sich angeblich bei dieser Melodie unterhielt, schien gar nichts davon zu wissen.
Einmal fragte Karl, wo denn die Spedition Jakob liege, und sofort sah er Delamarches und Robinsons ausgestreckte
Zeigefinger vielleicht auf den gleichen, vielleicht auf meilenweit entfernte Punkte gerichtet. Als sie dann weitergingen, fragte Karl, wann sie frühestens mit genügendem Verdienst nach New York zurückkehren könnten. Delamarche sagte, das könne schon ganz gut in einem Monat sein, denn in Butterford sei
Arbeitermangel und die Löhne seien hoch. Natürlich würden sie ihr Geld in eine gemeinsame Kasse legen, damit zufällige
Unterschiede im Verdienst unter ihnen als Kameraden
ausgeglichen würden. Die gemeinsame Kasse gefiel Karl nicht, obwohl er als Lehrling natürlich weniger verdienen würde als ausgelernte Arbeiter. Überdies erwähnte Robinson, daß sie natürlich, wenn in Butterford keine Arbeit wäre, weiter wandern müßten, entweder um als Landarbeiter irgendwo
unterzukommen oder vielleicht nach Kalifornien in die
Goldwäschereien zu gehen, was, nach Robinsons ausführlichen Erzählungen zu schließen, sein liebster Plan war.
»Warum sind Sie denn Schlosser geworden, wenn Sie jetzt in die Goldwäschereien wollen?« fragte Karl, der ungern von der Notwendigkeit solcher weiten, unsicheren Reisen hörte.
»Warum ich Schlosser geworden bin?« sagte Robinson, »doch gewiß nicht deshalb, damit meiner Mutter Sohn dabei
verhungert. In den Goldwäschereien ist ein feiner Verdienst.«
»War einmal«, sagte Delamarche.
»Ist noch immer«, sagte Robinson und erzählte von vielen
dabei reich gewordenen Bekannten, die noch immer dort waren, natürlich keinen Finger mehr rührten, aus alter Freundschaft ihm aber und selbstverständlich auch seinen Kameraden zu Reichtum verhelfen würden. »Wir werden schon in Butterford Stellen erzwingen«, sagte Delamarche und sprach damit Karl aus der Seele, aber eine zuversichtliche Ausdrucksweise war es nicht.
Während des Tages machten sie nur einmal in einem Wirtshaus halt und aßen davor im Freien an einem, wie es Karl schien, eisernen Tisch fast rohes Fleisch, das man mit Messer und Gabel nicht zerschneiden, sondern nur zerreißen konnte. Das Brot hatte eine walzenartige Form, und in jedem Brotlaib steckte ein langes Messer. Zu diesem Essen wurde eine schwarze Flüssigkeit gereicht, die im Halse brannte. Delamarche und Robinson
schmeckte sie aber, sie erhoben oft auf die Erfüllung
verschiedener Wünsche ihre Gläser und stießen miteinander an, wobei sie ein Weilchen lang in der Höhe Glas an Glas hielten. Am Nebentisch saßen Arbeiter in kalkbespritzten Blusen, und alle tranken die gleiche Flüssigkeit. Automobile, die in Mengen vorüberfuhren, warfen Schwaden von Staub über die Tische hin.
Große Zeitungsblätter wurden herumgereicht, man sprach erregt vom Streik der Bahnarbeiter, der Name Mack wurde öfters
genannt. Karl erkundigte sich über ihn und erfuhr, daß dies der Vater des ihm bekannten Mack und der größte Bauunternehmer von New York war. Der Streik kostete ihn Millionen und bedrohte vielleicht seine geschäftliche Stellung. Karl glaubte kein Wort von diesem Gerede schlecht unterrichteter, übelwollender Leute.
Verbittert wurde das Essen für Karl außerdem dadurch, daß es sehr fraglich war, wie das Essen gezahlt werden sollte. Das Natürliche wäre gewesen, daß jeder seinen Teil gezahlt hätte, aber Delamarche wie auch Robinson hatten gelegentlich
bemerkt, daß für das letzte Nachtlager ihr letztes Geld
aufgegangen war. Uhr, Ring oder sonst etwas Veräußerbares war an keinem zu sehen. Und Karl konnte ihnen doch nicht
vorhalten, daß sie an dem Verkauf seiner Kleider etwas verdient hätten, das wäre doch Beleidigung und Abschied für immer
gewesen. Das Erstaunliche aber war, daß weder Delamarche
noch Robinson irgendwelche Sorgen wegen der Bezahlung
hatten, vielmehr hatten sie gute Laune genug, möglichst oft Anknüpfungen mit der Kellnerin zu versuchen, die stolz und mit schwerem Gang zwischen den Tischen
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