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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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sich einen Ausweg. Alljährlich verbrachte er Monate in Europa, mietete ein prachtvolles Haus in Paris, klagte über Geldsorgen, fuhr aber gleichzeitig einen Jaguar, schrieb für Collier’s Weekly , Saturday Review und das Reisemagazin Holiday Reportagen über Spanien, Frankreich, Irland und Italien. Mit der Zeit zog es ihn jedoch immer mehr ins Mittelalter und er beschäftigte sich – in The Acts of King Arthur and His Noble Knights (1976; König Artus und die Heldentaten der Ritter seiner Tafelrunde , 1987) – mit dem ambitionierten Projekt, Le Morte d’Arthur , die klassische, aus dem 15. Jahrhundert stammende Geschichte von Thomas Malory, einem breiten zeitgenössischen Publikum zugänglich zu machen.
    Schon früher hatte er den misslungenen Versuch unternommen, eine Art amerikanischen Don Quichotte zu schreiben, Don Keenan – nein, der Name Rosinante war nicht aus der Luft gegriffen. Aber bei der Artus-Geschichte ging er weiter und beschränkte sich nicht auf eine Nacherzählung. Steinbeck identifizierte sich immer stärker mit dem Autor aus dem 15. Jahrhundert, als wollte er ein zweiter, moderner Malory werden. Er suchte nach einer vollständig neuen Interpretation der Geschichte, die zur Gegenwart passte. Mehr noch, die Handlung stand für ihn nicht im Mittelpunkt des Interesses. Sein Biograph Jackson Benson schreibt: »Er war fasziniert von der magischen Atmosphäre, die durch die Sprache hervorgerufen wurde, von der Art und Weise, mit der der Klang und das Bild der Wörter ihn zum Teilnehmer der Geschichte zu machen schienen.«
    Im Februar 1959 mietete Steinbeck zusammen mit Elaine ein einfaches Bauernhaus in dem britischen Ort Somerset, um in größtmöglicher Nähe zu seinen mittelalterlichen Helden und Heldinnen arbeiten zu können. Von seinem Arbeitszimmer aus schaute er auf Hügel und alte Eichen, »und im weiteren Blickfeld nichts, das nicht auch schon im 6. Jahrhundert dort war«.
    In der Nähe gab es ein römisches Kastell, das seiner Meinung nach möglicherweise sogar Camelot gewesen sein könnte, die mystische Burg des König Artus. Er überarbeitete in jenen Monaten die gesamte mittelalterliche Geschichte, er baute sie sozusagen für die modernen amerikanischen Bedürfnisse um.
    Das Ergebnis war ein einziger Kitsch, dieselbe Art von Kitsch wie alle nachgemachten mittelalterlichen Kathedralen und Schlösser, die in der Vergangenheit hier und da in Europa und Amerika errichtet wurden. Seine Agentin und Vertraute Elisabeth Otis tat, was große Agenten und Verleger tun müssen, und schrieb ihm die bittere Wahrheit: Das funktioniert nicht, das stimmt nicht, die Poesie und der Rhythmus des Originals fehlen, das lebt nicht.
    Steinbeck arbeitete noch einen Sommer lang an dem Text, und dann legte er das Manuskript beiseite. Nicht zufällig an der Stelle, wo sein großer Held Lancelot sich schließlich doch der Frau Artus’ hingibt, der wunderschönen Guinevere, und so alles verrät: seinen Herrn, seinen Glauben, seine Treueschwüre.
    Seinem Kneipenkumpan, dem Journalisten Joe Bryan, berichtete Steinbeck: »Man muss über seine eigene Zeit schreiben, egal welche Symbole man verwendet. Und ich habe weder die richtigen Symbole noch eine Form gefunden. Das ist das Elend.« Tief enttäuscht reiste er im Oktober 1959 zurück in die Vereinigten Staaten.
    Bezeichnend für die Sackgasse, in der Steinbeck steckte, war die Einrichtung seines Schreibpavillons in Sag Harbor. In seiner Biographie beschreibt Benson diese detailliert. Ein bequemer Stuhl im Zentrum, umgeben von Tischen und Bücherregalen, eine wunderbare Aussicht, Instrumente für sein Boot lagen dort, Gartengeräte, Zeitungsausschnitte, Notizen, Gartenbücher, Geschichtsbücher, Wörterbücher, Hundebücher, Schiffsbücher, die unterschiedlichsten Dinge. Das alles lagerte geordnet in wunderbaren Schubladen und anderen Aufbewahrungssystemen mit Aufschriften wie Matters of Rubber oder Interesting Things .
    Er hatte sich, schreibt Benson, den idealen Arbeitsplatz geschaffen. Doch die Arbeit selbst kam nicht mehr wieder. Die hatte er unterwegs irgendwo verloren.
    Steinbeck war zu diesem Zeitpunkt siebenundfünfzig Jahre alt. Er war immer ein munterer und kräftiger Mann gewesen, doch nach dem Scheitern seines Artus-Projekts bekam er gesundheitliche Probleme. Er wurde krank, erlitt im Dezember 1959 sogar einen leichten Schlaganfall und nahm eine Auszeit, um nachzudenken. »Wir kommen jetzt in das Alter, in dem die Seiten mit den Todesanzeigen allerlei

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