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Amerikanische Reise

Titel: Amerikanische Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
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den Parkplatz, die Lichtkegel der Scheinwerfer streichen über ihr Gesicht, zielen kurz ins Zimmer
     und wandern weiter; zurück bleiben die ausgelaugten Polaroidfarben. Jan steht auf und schaltet die ferkelfarbene Tischlampe
     aus.
    »Welche Zigarette vermißt du am meisten?« fragt Kristin.
    »Wie?«
    »Die Zigarette danach?«
    Sie sieht Jan nicht an. Ihre Frage verunsichert ihn. Es scheint ihm unklug, jetzt über andere Frauen zu reden.
    »Kommt drauf an«, sagt er.
    Ins Zimmer fällt nur noch das Neonlicht aus dem Bad, dessen Tür Kristin offengelassen hat. »Was ist, wenn eine deiner Freundinnen
     Nichtraucherin ist?« fragt sie.
    »Das sind dann so die ersten Konflikte.«
    »Und die nächsten?«
    »Beim zweiten trennt man sich.«
    Auf dem Parkplatz wird eine Wagentür zugeschlagen. Kristin beugt sich vor und gerät in den Schein einer schwachen Lampe an
     der Außenwand des Motels.
    »Das ist es ja«, sagt sie.
    Jan ist klar, daß das Gespräch in die falsche Richtung geht, aber es gelingt ihm nicht wie sonst, Gewicht abzuwerfen. |203| Seine Augen gewöhnen sich nach und nach an die Dunkelheit im Zimmer. Die Synthetikvorhänge neben dem Fenster wehen in einem
     leichten Luftzug. »Es war ein Witz«, sagt er. »In Wirklichkeit suche ich nach der großen Liebe.«
    Kristin sieht ihn an: »Und?«
    Jan hebt die Schultern. »Ehrlich. Ich glaube daran.«
    »Sicher.« Sie geht zum Wagen. »Willst du ein Bier?«
    Ein paar amerikanische Sätze werden über den Parkplatz gerufen. Jan versteht lediglich den Schluß,
is that allright?
Es ist offenbar
allright.
Der Wagen wird erneut gestartet, Jan hört die neuen Gäste in eins der Zimmer einziehen, nicht das angrenzende. Sie wollen
     nicht, daß man ihnen beim Bumsen zuhört, denkt er. Der Motor wird wieder abgestellt. Zurück bleibt das Zirpen, Gurren und
     Summen aus den Wiesen ringsum.
    Kristin schlägt den Kofferraum zu und kommt mit zwei Dosen Bier zurück. Jan steht auf und stellt sich neben sie.
    »Und? Wie ist deine Meinung zum amerikanischen Bier?« fragt sie.
    Jan öffnet seine Dose. »Es ist okay.«
    Kristin lacht kurz. »Wenn man unsere Generation irgendwann fragen wird: Wie war das Leben denn so?, werden wir antworten:
     Es war okay«
    »Und?« fragt Jan. »Ist es okay?«
    Sie schweigt einen Moment. »Was meinst du?«
    »Tut mir leid«, sagt Jan. »Diesmal habe
ich
zuerst gefragt.« Sie stützen sich nebeneinander auf das Fensterbrett. Ihre Oberarme berühren sich, Kristins Haut ist angenehm
     kühl. Ihre Haare, die noch feucht sind vom Duschen, riechen nach Pfirsich. Jan legt seinen Arm um sie, wie er es in den vergangenen
     Tagen so häufig getan hat, aber die Leichtigkeit, mit der er sich sonst einer Frau nähert, |204| stellt sich nicht ein. Es gelingt ihm nicht, einfach damit zu beginnen, sie auszuziehen oder sie in eine ausgelassene Stimmung
     zu versetzen, in der das gegenseitige Aufknöpfen und –schnüren zu einem kurzweiligen Spiel wird. »Ich glaube wirklich daran«,
     sagt er leise und beugt sich zu ihr. Er küßt sie, während das Rauschen eines Trucks vom Highway herüberweht. Er spürt ihre
     rauhen Lippen und atmet den Geruch mit Bier vermischten Speichels. Seine Hände streichen über ihr T-Shirt , er ertastet die Bündchen ihres Slips unter dem Stoff. Sie wehrt sich nicht, aber sie unterstützt seine Bewegungen auch nicht.
     Er legt seine Hände auf ihre Hüften, läßt sie an ihrem Körper hochwandern und streicht über ihren Nacken. Sie steht ihm gegenüber,
     aber sie sieht ihn nicht an, sie sieht auf irgendeinen Punkt in Höhe seiner Brust. Seine Hände gleiten zu ihrem Slip und beginnen,
     ihn über ihre Hüften zu schieben. Seine Zunge streicht vorsichtig über ihre Lippen. Sie beantwortet seine Zärtlichkeit nicht,
     und anstatt sie mit seinem Kuß zum Leben zu erwecken, scheint es Jan, als versteinere sie zusehends unter seinen Berührungen,
     als rankten sich mehr und mehr dornige Zweige um ihren Körper, die er nicht in der Lage ist zu zerschneiden.
    Sie faßt ihn an den Schultern und schiebt ihn vorsichtig, aber bestimmt von sich. Sie steht in dem schwachen diffusen Neonlicht,
     das aus dem Bad fällt.
    »Wir sollten es lassen«, sagt sie und sieht Jan so vorwurfslos an, daß er weiß, es ist endgültig.
    Sie geht zum Bett und setzt sich.
    Jan schließt die Fenster und zieht die Vorhänge zu. Er nimmt die noch vollen Bierdosen, geht ins Bad und kippt sie ins Waschbecken.
     Der säuerliche Geruch des Biers steigt aus dem Abguß,

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