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Amnion 1: Die wahre Geschichte

Amnion 1: Die wahre Geschichte

Titel: Amnion 1: Die wahre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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zusammenzustauchen; um das brutale Gemetzel zu verkraften, das jedoch dann folgte, hatte er damals eigentlich noch nicht das Alter.
    Doch die Realität entfernte sich nun immer deutlicher von seinem Traum.
    Als die Piratin das Wrack räumte, nahm sie Nick nicht wieder mit. Nachdem sie die Crew massakriert, die Fracht umgeladen und die Kommunikationsanlagen ausgeschlachtet hatte, lachte sie Nick aus, zerschnitt ihm das Gesicht und überließ ihn seinem Schicksal.
    Natürlich flehte er sie an. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, daß er sie liebte. Er glaubte, sie liebte ihrerseits ihn. In seinen Jugendjahren wäre er in Anbetracht seiner Träume zu beinahe jeder Selbsttäuschung bereit gewesen. Aber seine Vorstellungen von Liebe rangen der Raumpiratin lediglich ein geringschätziges Kichern ab. Ihr Messer zeigte Nick, was sie von ihm als Liebhaber hielt. Als sie verschwand, rannen ihm durch das Blut auch Tränen in den Mund. Anschließend saß er allein, ohne raumfahrerische Befähigungen, ohne einschlägiges Wissen und ohne funktionstüchtigen Antrieb, in einem von der heimatlichen Weltraumstation durch eine Million Kilometer getrennten Wrack. Normalerweise hätte er umkommen müssen.
    Aber er überlebte. Statt das Leben zu verlieren, verwandelte er sich in den Nick Succorso, als den man ihn bald kennenlernen sollte, und fing ein neues Leben an.
    Nach Bewerkstelligung seiner Rettung – und zwar durch eine ziemlich pfiffige Manipulation residenter Emissionen der Käptens Liebchen, die den gleichen Effekt wie eine Signalbake hervorrief und dadurch schließlich einen auf Patrouille befindlichen Kreuzer herbeiholte –, befand er sich im Besitz der Id-Daten und Urkunden des toten Kajütenstewards des Raumschiffs, des wahren Nick Succorso, und hatte sich die Fähigkeiten angeeignet, die seiner neuen Identität und den Dokumenten entsprachen.
    Im Anschluß an seine Bergung teilte er natürlich der VMKP alles mit, was er über die Frau wußte, die seine Gesichtszüge verunstaltet hatte. Das ermöglichte es, sie aus diesem Teil des Weltalls zu vertreiben. Er sah sie niemals wieder.
    Freilich vergaß er sie ebensowenig jemals. Von der Zeit seiner ersten ordnungsmäßigen Anstellung auf einem Raumschiff bis zu dem Tag, an dem er die heutige Käptens Liebchen für sich kaperte, vom Moment des Starts zu seinem ersten erfolgreichen Beuteflug bis heute blieb sie stets im geheimen seine Begleiterin. Die Narben unter seinen Augen färbten sich dunkel, sobald er etwas sah, das ihm nicht gehörte, aber das er haben wollte; die Kerben auf seinen Wangen nahmen die Farbe geronnenen Blutes an. Unter anderweitigen Umständen hätte er keinen Finger gerührt, um Morn Hyland zu helfen. Leidgeprüfte Frauen kitzelten gleich nach Frauen, die ihn liebten, seine Sinne am stärksten. Schmerz und Liebe vermittelten ihm gleichermaßen das Empfinden, es den Weibern zu vergelten.
    Aber unter diesen Umständen…
    Die Idee, Morn Hyland aus der Patsche zu befreien, kam Nick Succorso aus mehreren Gründen. Einen davon lieferte ihm Angus Thermopyles Person. Es verstand sich von selbst, daß er Angus’ Reputation kannte; er wußte, er hatte in ihm nicht einfach nur irgendeinen, sondern einen gefährlichen Konkurrenten zu sehen. Nick tolerierte durchaus Konkurrenz, solange sie sich mit ihm nicht ernsthaft messen konnte – sie für ihn keine Bedrohung bedeutete –, keine Gefahr bestand, daß sie ihn verdrängte. Auf den ersten Blick betrachtete er Morn Hyland als Druckmittel gegen Angus, als Waffe, um sich seiner Konkurrenz zu erwehren.
    Seine anderen Beweggründe zeichneten sich durch höhere Kompliziertheit aus.
    Welche Wichtigkeit Morn Hyland für die Angelegenheiten des Besitzers der Käptens Liebchen hatte – falls überhaupt eine –, blieb unklar. Sah er in ihr eine etwaige Zapfstelle des Reichtums? Hatte er vor, der Familie Hyland ein Lösegeld abzuverlangen? Der KombiMontan-Station? Oder der VMKP? Vielleicht bezog er Kenntnisse aus einer nicht allgemein zugänglichen Informationsquelle. Falls ja, erwähnte er es nie.
    Wie wichtig er sie hinsichtlich seiner privaten, persönlichen Erfolgsgewohntheit nahm, ließ sich allerdings deutlich genug erkennen.
    Anhand mancher Kleinigkeiten ließ ihre Situation sich mit einem Blick durchschauen. Sie ging mit einem Mann, den sie haßte, einem Illegalen, der sie abstieß. Was besagte das über sie? In diesem Moment lauteten Nicks Überlegungen völlig anders als die Spekulationen sämtlicher übrigen Gäste

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