Amnion 2: Verbotenes Wissen
versäumt?
In welcher neuen Gefahr schwebte sie? Was soll nur, dachte sie, ehe sie sich versah, aus meinem Kind werden?
Nick belächelte ihre Begriffsstutzigkeit. »Ich bin blank«, sagte er, als ob er damit alles erklärte.
Lind, Carmel und der Mann an der Steuerung lachten alle, nicht aus Ungläubigkeit, sondern im Bewußtsein eines Mangels, der sich so zum Dauerzustand ausgewachsen hatte, daß man ihn nur noch als Witz auffaßte.
Morn betrachtete Nick und versuchte sich in ihre Starre zurückzuziehen, sich hinter den Schleiern ihres Schocks zu verbergen.
Einen Moment lang weidete Nick sich an der Entgeisterung ihres Mienenspiels. Dann lenkte er ein, ließ sich zu einer Klarstellung herab.
»Man arbeitet dort, wohin wir fliegen, nicht auf Rechnung. Der Scheißtyp, der dort das Sagen hat, trägt nicht ohne Grund den Spitznamen ›Kassierer‹, er kassiert nämlich im voraus, ehe ’n Handschlag getan wird. Und ich bin pleite. Die Käptens Liebchen ist bankrott. Wir können gerade noch die Reedegebühr blechen, mehr nicht. Eine Reparatur des Ponton-Antriebs ist für uns momentan unbezahlbar. Und ganz bestimmt genauso eine Anti-Viren-Behandlung unserer Computer. Immer vorausgesetzt, wir gelangen überhaupt hin, was zur Zeit wohl noch gar nicht so sicher ist. Solange wir Schub, intakte Lebenserhaltungssysteme und Scanning haben, besteht immerhin ’ne Chance. Erstens kann ich Algorithmen im Kopf berechnen. Dadurch bin ich ’n recht guter Blindflug-Navigator. Zweitens gibt’s Raumschiffe, die eben darum Patrouille fliegen, um zu verhindern, daß Leute wie wir ihr Ziel verfehlen.«
Auch das war eine humorige Äußerung, die die Besatzung der Brücke sichtlich verstand, deren Sinn für Morn jedoch undurchschaubar blieb. »Aber ohne Kredit haben wir von alldem überhaupt nichts.«
»Trotzdem verstehe ich nicht…«, fing Morn leise zu plappern an. Was hat das mit mir zu tun?
»Wäre ich so ein heimtückischer Agent der VMKP-DA«, fragte Nick mit bombastischer Gebärde, »wieso bin ich dann in diesen Schwulitäten? Warum habe ich kein Geld? Weshalb riskiert der allmächtige Hashi Lebwohl, mich auf diese Weise zu verlieren, wenn nicht mehr zu tun gewesen wäre, als uns ’ne Kurierdrohne zur KombiMontan-Station zu schicken, die uns per Richtstrahl Kredit gutgebucht hätte? Vielleicht hast du in bezug auf mich etwas noch nicht geschnallt, Morn.«
Sein Grinsen spiegelte Genüßlichkeit und eine Vielfalt ungewisser Nötigungen wider. »Ich arbeite nicht für jemanden, der nicht zahlt.«
Diesmal lachten alle auf der Brücke anwesenden Besatzungsmitglieder merklich beifällig.
Aber Morn wußte schlicht und einfach nicht weiter. »Ich versteh’s nicht.« Sie hatte keine Möglichkeit mehr zu irgendeiner Gegenwehr. Angus’ Kind schien ihr Denken zu lähmen; sie konnte keine andere Art von Gefahr erkennen, solange man sie ihr nicht ins Gesicht sagte. »Worum geht’s eigentlich? Warum machen wir uns die ganze Mühe, wenn wir uns sowieso keine Reparaturen leisten können?«
Nick wirkte unmißverständlich amüsiert, so freudigfroh, wie wenn er mit ihr Geschlechtsverkehr hätte, ihr Wonnen bereitete, denen sie nicht widerstehen konnte. »Ich bin blank«, wiederholte er. »Aber ich habe was, das ich verkaufen kann.«
Morn hielt den Atem an, wagte nicht zu raten, was er als nächstes sagen mochte.
»Ich kann dich verkaufen.«
Da war sie endlich, die Wahrheit: der Grund, weshalb er sie gerettet, sie an Bord genommen hatte. Nämlich um die Sorte von Reparaturen bezahlen zu können, die sich auf legalem Wege nicht erlangen ließen.
»Du bist von der VMKP«, konstatierte Nick, als bedürfte dieser Sachverhalt der Betonung. »Du hast ’n Kopf voller wertvoller Daten. Solange du lebst, bei klarem Bewußtsein und wenigstens einigermaßen geistig gesund bist, hast du wahrscheinlich so hohen Wert, daß ich mir ’n ganz neues Schiff finanzieren kann.«
Noch vor ein paar Stunden wäre Morn wohl handgreiflich geworden. Er hatte vor, sie zu verkaufen wie ein Frachtstück. Alles, das zu erdulden sie sich gezwungen hatte, um ihre Sicherheit zu gewährleisten, war vergeblicher Aufwand gewesen. Unter dem Druck des angestauten Abscheus und all ihrer unterdrückten Wut hätte sie sich jetzt nicht mehr beherrschen können.
Nach einer Weile leiden Sie so darunter, hatte sie zu Mikka gesagt, daß Sie gar nicht mehr gerettet werden möchten. Doch das Wissen um ihre Schwangerschaft hatte sie verändert. Ein Kind. Angus’ Sohn. Enkel
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