Amnion 2: Verbotenes Wissen
Vergnüglichkeit.
»Morn, laß das Heulen«, forderte er sie salopp auf, »du störst meine Konzentration.«
Während er halblaut vor sich hinlachte, verflog ringsum einiges von der entstandenen Spannung.
Morn spürte, wie er sie aus den Augenwinkeln beobachtete, aber schaute ihn nicht an.
Eine Minute später kam Mikka Vasaczk von sich aus auf die Brücke. An den Gürtel hatte sie einen Handkommunikator sowie eine zusammengerollte Rettungsleine gehängt, deren eines Ende eine kleine Magnetklammer aufwies – eine Notausrüstung für die Möglichkeit, daß die Bordgravitation ausfiel.
Mißmutig blieb sie neben Morn stehen. »Geht’s Ihnen besser?« fragte sie in neutralem Ton, als sie Morns verquollenes, tränenfeuchtes Gesicht sah.
Morn wischte sich das Blut vom Mund und nickte.
»Man sieht’s«, bestätigte Mikka.
Weiter ging sie auf die Frage von Morns Verfassung nicht ein, sondern stellte sich auf die andere Seite von Nicks Andrucksessel.
»Wir sind soweit«, meldete sie. »Die anderen Operatoren sind unten in Schiffsmitte, bei den Computern. Sie sind alle mit Handkommunikatoren ausgestattet. Meister des Computerfachs sind nicht dabei, aber ’ne Nullstellung kriegen sie alle hin. Wenn du willst, können sie die Geräte abstöpseln, das Netz entkabeln.«
Succorso nahm die Auskünfte mit einem Nicken zur Kenntnis. »Also gut, wir fangen an«, sagte er und beugte sich vor zur Brückenbesatzung. »Je eher wir das Virus finden, um so mehr Zeit haben wir, um an seiner Eliminierung zu arbeiten. Die Funktionen verlieren wir nicht. Alles ist in integrierten Schaltungen vorhanden.« Das wußte jeder an Bord; offenbar sprach Nick es lediglich aus, um sich zu klareren Gedankengängen zu befähigen. »Das schlimmste, was uns passieren kann, ist lediglich, daß an allen Computern Nullstellung und Kaltstart erforderlich werden. Aber falls ’ne Löschung erfolgt, geht uns die gesamte Software flöten, mitsamt allen Daten. Das heißt, wir kämen auch um unseren letzten Kredit.«
Er schnitt eine Grimasse. »Die Wartungsfunktionen blieben erhalten, aber der Computer wird nicht mehr wissen, wie viele Personen an Bord sind. Dann kann er Heizung und Luft nicht mehr in der optimalen, für uns angenehmsten Weise regulieren. Die Computerlogbücher wären auch dahin. Wir hätten keinen Überblick unserer Nahrungsmittelvorräte mehr.«
Er war noch längst nicht am Ende seiner Aufzählung. »Die Zielerfassung verliert das Raumschiff-Identifikationsraster. Das ist ’n ernster Nachteil. Wir könnten im Fall eines Angriffs die Waffen nicht mehr korrekt bedienen. Der Kommunikation kämen sämtliche Codes abhanden, und das würd’s uns erschweren, zu irgendwem Funkverbindung herzustellen. Aber am empfindlichsten wären wohl Scanning und Datensysteme betroffen. Zwar können die Scanninggeräte weiter Informationen sammeln, allerdings fehlt den Computern dann die Fähigkeit zu ihrer Interpretation. Und es wäre alles weg, was wir für die Astrogation brauchen. Sternendaten und -karten, galaktische Rotation, Stationsvektoren, Flugrouten. Beim Arsch der Galaxis, wir könnten nicht mal noch erkennen, in welcher Richtung eigentlich der Bannkosmos liegt.« Nicks Erste Offizierin schnaubte dumpf. Die restlichen Crewmitglieder enthielten sich jedes Kommentars.
»Wir können auch keine vorsorglichen Festkopien der Daten machen. Dafür haben wir gar nicht genug Papier. Wahrscheinlich gibt es für so was selbst auf der KombiMontan-Station zu wenig Papier. Und außerdem brauchten wir Monate, um alles neu zu installieren, und es wäre voraussichtlich nicht mal ’ne Lösung. Wäre das Virus noch resident, würden die Daten wieder gelöscht, sobald wir sie wiedereingegeben haben… Wir werden also nun folgendermaßen vorgehen: Ich tippe einige Befehle. Sollte mein Computer ausfallen, läßt’s sich leicht beheben. Wir können die Daten aus der Hilfs-Steuerwarte holen. Vielleicht gelingt es uns mit dieser Methode sogar, das Virus zu eliminieren. Bleibt mein Computer in Betrieb, schließen wir die anderen Teile des Netzwerks Stück um Stück wieder an, bis wir irgendwo auf Schwierigkeiten stoßen. Hat jemand noch Fragen?« Er blickte von einem zum anderen. »Oder dazu irgendwas zu sagen? Oder Einwände?«
An den Plätzen für Scanning und Steuerung antwortete ihm Kopfschütteln. Die übrigen Anwesenden saßen nur da und warteten ab.
Morns Gaumen war trocken geworden, und sie hatte das Empfinden, Mühe beim Atmen zu haben, als wäre die
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