Amnion 2: Verbotenes Wissen
Regulation der Lebenserhaltungssysteme schon beeinträchtigt. Jedes Raumfahrzeug hing von seinem Computerverbund ab. Morns tiefsitzende Furcht vor einer totalen Löschung übertraf alle Sorge bezüglich eines Lecks oder Detonationen, ihre Furcht vor dem Vakuum. In dieser Beziehung, wußte sie, teilten alle Personen an Bord ihre Meinung.
Aber mit einem Ausfall der Kommandoeinheit rechnete sie nicht. Dies Übel ließe sich, genau wie Nick erwähnt hatte, unschwer beheben – und Morn hegte die Überzeugung, daß Orn der Käptens Liebchen kein leicht ausmistbares Kuckucksei vererbt hatte. Nein, das Virus saß wahrscheinlich im Datenbanksystem selbst, wo es den größten Schaden anrichten konnte; dem Computer, zu dem Orn Vorbuld am häufigsten, nämlich ständig Zugang gehabt hatte.
Folglich überraschte es sie nicht, daß Nicks Kontrollpult in Funktion und alle seine Lämpchen grün blieben. In Simulation ging er auf Gegenschub, riß die Käptens Liebchen herum, schaltete Ruffrequenzen ein und die Bordgravitation ab, feuerte mit den Materiekanonen, veranlaßte spektrografische Analysen benachbarter Sterne: Alles funktionierte.
»So ein verdammter Scheißkerl!« wetterte er fröhlich drauflos. »Warum mußte er bloß so ein hinterfotziger Idiot sein?« Aber Entmutigung merkte man ihm nicht an. »Na gut. Die Steuerung ist im Moment relativ sicher. Davon lassen wir die Finger. Ich deaktiviere jetzt die Automatik der Wartung.« In seinen Augen funkelte kämpferische Heiterkeit. »Mal schauen, wie die Computer dazu stehen, wenn ich mittschiffs die Heizung abschalte.«
Malda kicherte nervös.
»Für die erste Zeit stellen sie keinen Unterschied fest«, meinte Mackern. »Der Raumschiffskörper als Ganzes isoliert sie ja.«
Carmel verdrehte die Augen. »Eben deshalb ist das Experiment harmlos«, rief Mikka genervt.
»Mackern, du hast einfach keine Spur von Humor«, sagte Nick. Er befand sich schon an der Arbeit, tippte Funktionstasten seines Kontrollpults, nahm Schaltungen vor, die die Bordsysteme von der automatischen Überwachung wieder der Verwaltung seiner Kommandoeinheit unterstellten. Nach ein, zwei Minuten war er fertig.
Morn spürte keine Verbesserung der Atemluft. Sie schien sich nach wie vor in ihren Lungen zu stauen, mit Stickstoff übersättigt zu sein. Nicht zum erstenmal dachte sie an das schwarze Kästchen in ihrer Kabine. Sie hätte damit ihre Besorgtheit lindern können.
Aufregung war für Ungeborene schädlich…
»Gurte prüfen«, befahl Nick forsch.
Seine Leute checkten ihre Sicherheitsgurte. Indem sie unbewußt eine die andere nachahmten, verschafften Morn und Mikka sich Halt an den Armlehnen von Nicks Andrucksessel.
Nick blickte sich ein letztes Mal auf der Brücke um. »Mittschiffs wird die Heizung abgeschaltet«, gab er dann bekannt, tippte mehrere Tasten.
Man konnte das leise Klicken der Tasten deutlich hören.
Mit einem entfernten Ächzen der Servomechanismen kam die Rotation der Käptens Liebchen zum Erliegen. Gleichzeitig wurde der ärgste Alptraum jedes Raumfahrers wahr. Auf der Brücke fiel der Strom aus. Sichtschirmgeräte, Kontrollkonsolen, Beleuchtung, alles erlosch. Das ganze Raumschiff geriet schlagartig in Finsternis, so tief und schwarz wie der hyperspatiale Abgrund zwischen den Sternen.
Morn stieß ein stummes Geheul aus, als erlebte sie in dieser Sekunde den Untergang der Stellar Regent noch einmal; als hätte sie nochmals die Zerstörung des eigenen Raumschiffs bewirkt, und damit den Tod aller Menschen, die sie liebte.
Intertech, ein bedeutendes Forschungs- und Erschließungsunternehmen mit Sitz auf der in Erdumlaufbahn befindlichen Weltraumstation Hoher Auslug, gab sowohl die vorhergehende Ursache wie auch das hauptsächliche Opfer eines der herausragenden Ereignisse der Menschheitsgeschichte ab: des sogenannten Aufstands der Menschheit.
In gewisser Hinsicht waren die beiden Aufgaben, denen Intertech sich verschrieben hatte – Forschung und Erschließung –, eine merkwürdige Kombination; in anderer Beziehung ergänzten sie sich auf die natürlichste Weise. Allerdings geschah die Gründung des Unternehmens ursprünglich zu reinen Forschungszwecken. Aufgrund der im Weltall existenten Bedingungen und vorhandenen Technologien hatte es jedoch spektakuläre Erfolge zu verzeichnen. Indem es seine Tätigkeit auf Gegenstände der Biologie und Genetik konzentrierte, etablierte es seine Reputation zunächst durch die Entwicklung eines Bakteriums, das sich von Plastik ernährte
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