Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
übertölpelt…«
Voller selbstsicherer Ironie starrte Succorso einen der zwei Freier der Frau an und sagte etwas zu ihm, das den Mann erbleichen ließ. Auf wackeligen Füßen raffte der Mechaniker oder Maschinenschlosser sich von seinem Stuhl auf und verließ den Tisch.
Der andere Mann äugte die Frau an, als erhoffte er sich von ihr Beistand. Aber sie schenkte ihm keine Beachtung; ihre begierige Aufmerksamkeit galt ausschließlich Nick Succorso. Als er sich neben sie setzte und mit dem Handrücken über ihre Wange strich, sprang der zweite Bursche so linkisch auf, daß er seinen Stuhl umwarf. Indem er hohle Unmutsbekundungen vor sich hinbrabbelte, machte auch er sich davon.
Angus wußte, wie die Frau sich fühlte. Genau wie sie war er nichts als ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck. Ihn konnte niemand betrügen; er konnte lediglich belogen oder mißbraucht werden.
Milos Taverner dagegen…
Taverner erkannte erst in Ansätzen, wie gründlich man ihn betrogen hatte.
Ein Schaudern durchfuhr ihn, als befiele ihn eine Konvulsion. »Mund öffnen«, röchelte er, als ob er erstickte.
Für Angus gab es keine Abhilfe gegen den Befehl. Sein Interncomputer bot ihm keinen Schutz; im Gegenteil, er hatte die Aufgabe, Taverners Autorität zwingenden Nachdruck zu verleihen. In vollem Bewußtsein der Wehrlosigkeit, krank aus hilfloser Erbitterung, gehorchte Angus.
Taverner nahm seine Nik und drückte sie genüßlich auf Angus’ Zunge aus.
Auf geistiger Ebene reagierte Angus mit einem Aufbrüllen; stemmte den Tisch empor und benutzte ihn, um Taverner rückwärtszukippen, dann stieß er das Möbelstück beiseite und stürzte sich auf seinen Peiniger. Er hatte die Körperkräfte eines Großaffen, wurde mit jedem fertig. Mit einer Reihe von Fußtritten brach er Taverner das Kreuz, zertrümmerte ihm die Rippen, zermalmte seinen Kehlkopf, mit den Händen riß er ihm die Augen heraus. Er hörte erst auf, als nur noch eine Masse blutigen Fleischs vor ihm lag…
Aber ausschließlich in seiner Phantasie.
In Wirklichkeit schloß er den Mund um eine Flamme der Qual und einen scheußlichen Aschegeschmack. Obwohl ihm die Zunge brannte, sie Blasen bekam, kaute er die glühende Nik, bis er sie endlich schlucken konnte.
Sein Magen hätte den Inhalt auf die Tischplatte erbrochen, wäre es seitens seiner Z-Implantate erlaubt worden.
»Das ist doch einfach unbegreiflich«, raunte Taverner. »Die Codes sind tatsächlich noch gültig… Ich habe Sie noch in der Gewalt. Aber über den Grund unseres Flugs hat man mich angelogen.« Er rang mit seiner Furcht. »Warum läßt man mir die Herrschaft über Sie – oder mich in dem Glauben, ich hätte sie –, wenn ich nicht weiß, was Ihre Programmierung vorsieht?«
»Ich kann mir ’n Grund denken«, knirschte Angus trotz der Schmerzen.
»Ich auch«, knurrte Taverner. »Die ganze Angelegenheit ist gegen mich gerichtet. Gott im Himmel, ich schwöre« – er tobte vor sich hin, ohne lauter zu werden – »denen soll’s noch leid tun, mich so behandelt zu haben!«
Inzwischen war Nick Succorso der Frau dermaßen nahegerückt, daß er sie praktisch auf dem Schoß hatte. Seine eine Hand hatte sich von ihrer Wange gesenkt und streichelte jetzt ihren Hals, die Schulter, die unbedeckte Rundung einer Brust; die andere Hand hatte er in ihrem Nacken ins Haar geflochten. Genau wie Angus es ihm aufgetragen hatte.
»Wir sind soweit«, stellte Angus fest. Seine Zunge und der Magen fühlten sich an, als hätte er vorhin Ätzkalk verschlungen; doch seine Programmierung überging die Beschwerden ebenso wie Taverners Wut. Ruckartig hob Angus das Gesäß vom Stuhl.
Während er sich verbittert umblickte, bummelte Taverner gerade lange genug, um eine neue Nik zu entzünden. Dann stand er gleichfalls auf und folgte Angus hinüber zu Nick Succorso und der Frau.
Angus näherte sich ihr so, daß er hinter ihr blieb, außerhalb ihres Blickfelds. Ihre elektronische Ausstattung war ihm so durchschaubar, als hätte er sie selbst konzipiert. Augen und Ohren waren verkabelt: sie glich einer Videokamera mit integriertem Mikrofon. Infolgedessen übermittelte sie nur weiter, was sie persönlich subjektiv sah und hörte.
Die Geräuschkulisse des Lokals übertönte Angus’ Annäherung.
Gleich unter der Haut verliefen zwischen den Rezeptoren und dem Akku der Frau Leitungsdrähte durch ihren Nacken. Succorsos Hand diente dort einem doppelten Zweck: erstens lenkte sie den Tastsinn ab, zweitens sollte sie Angus’ Unschuld
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