Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
anzeigen. Angus streifte Nick Succorso mit einem kurzen Blick, um sich davon zu überzeugen, daß er sich bereithielt; Succorso jedoch war zu erfahren im Verführen, um den Blick von seinem Opfer zu wenden. Als Angus die geeignete Stelle erreichte, ließ Succorso den Kopf sinken und schleckte der Frau einen feuchten Kuß an die Kehle.
Angus’ Fingerknöchel berührten den Nacken der Frau mit unmerklicher Behutsamkeit und schossen einen Laserstrahl nur millimetertief in die Haut. Die Laserwirkung blieb so oberflächlich und punktuell, daß die Melderin vielleicht nichts spürte, drang allerdings gleichzeitig weit genug ein, um die Drähte zu durchtrennen. Dann strebte Angus zur Tür, hinterließ als Anzeichen des verursachten Schadens nichts außer einem winzigen, roten Tröpfchen Blut.
Im Vorbeigehen bemerkte er, wie die Frau stutzte, hörte sie im Ton benommenen Ärgers ein »Autsch!« lallen. Aber er sah sich nicht um, mochte gar nicht wissen, ob sie ihm nachblickte. Der Rest war Nick Succorsos Problem: er hatte dafür zu sorgen, daß sie nicht herausfand, wer sie verletzt hatte – und es folglich nicht dem Kassierer sagen konnte.
Im Lift fuhr Angus mit Taverner hinauf zu ihren Zimmern.
Zuerst würde der Kassierer vermuten, der Grund dafür, daß die Implantate der Frau das Senden eingestellt hatten, sei darin zu sehen, daß sie es absichtlich unterbunden hätte, um mit Succorso eine intimere Privatsphäre genießen zu können. Und darüber war er bestimmt nicht erfreut. Doch ein einziger Blick in ihren Nacken und auf die Drähte mußte ihm verdeutlichen, daß nicht sie den Defekt herbeigeführt hatte. Wenn sie nicht aussagen konnte, daß Angus oder Taverner ihr auf die Pelle gerückt seien, fiel der Verdacht sofort auf Nick.
Das gab den eigentlichen Sinn der Maßnahme ab. Außerdem mochte die Beschädigung der Geräte Succorso gegen die Frau als Druckmittel nützlich sein, falls er so etwas brauchte, sein berühmter Charme und seine Männlichkeit nicht hinlangten. Der Hauptzweck blieb es jedoch, den Argwohn des Kassierers von Taverner und Angus abzulenken.
So weit, so gut. Leider behob es nicht im mindesten Angus’ unmittelbare Sorgen.
Bissige Bemerkungen lagen ihm auf der Zunge, und sein Magen wollte sich immer wieder übergeben, jedoch ohne Erfolg. In seinem Kopf herrschte trübste Ödnis, trostlos und unheilvoll wie das Hyperspatium. Milos Taverner stand am Schlußpunkt seiner Leiden; Angus’ Elend fing gerade erst an.
Damit muß Schluß sein, hatte Dios gesagt. Was er auch gemeint hatte, seine Bemerkung betraf keineswegs Angus’ Schinderei. Es lag dem VMKP-Polizeipräsidenten völlig fern, etwas an Angus’ Hilflosigkeit zu ändern, den Knaben aus dem Kinderbett zu erlösen…
Angus war ein Feigling; er wußte, was ihm bevorstand.
Voller Grimm nannte er dem Interkom-Apparat an der Zimmertür seinen Namen. Als die Tür zur Seite rollte, betrat er das Zimmer, als ginge er zu seiner Hinrichtung.
Taverner folgte ihm herein, ehe sich die Tür schließen konnte. Einen Moment lang standen die beiden Männer sich gegenüber und musterten sich wie Todfeinde. Dann schlurfte Angus, einfach weil er nicht so furchtsam aussehen wollte wie er sich fühlte, zu einem Sessel, nahm Platz und kippte die Rücklehne nach hinten, bis die Wand sie stützte.
»Machen Sie’s sich bequem«, meinte er mit wunder Zunge. »Uns bleibt nicht der ganze Abend, aber eine Stunde dürfte Succorso voraussichtlich brauchen.« Eine Stunde lang nahm Succorso sich bestimmt Zeit, und wenn nur um seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen.
»Soviel Zeit haben Sie.«
Milos Taverner senkte den Blick, als schämte er sich – oder hätte etwas zu verbergen. Er schob sich eine neue Nik in den Mund und schlenderte zum Computerterminal, tippte ein paar Tasten, anscheinend in keiner anderen als der Absicht, sich davon zu überzeugen, daß es funktionierte. Dann packte er den zweiten Sessel, stellte ihn neben Angus’ Sitzmöbel und ließ sich hineinplumpsen.
»Sie wissen einiges über diese üble Sache, Thermopyle. Irgend was, das Sie mir verschweigen. Vielleicht etwas, das Sie von Dios erfahren haben.«
Falls er sich wegen der Observationsinstallationen Gedanken machte, zeigte er es nicht. Andererseits verzichtete er auf die Anwendung der Kommandocodes, denen die Programmierung Angus unterwarf.
»O ja, ich weiß ’ne Menge, das ich Ihnen noch nicht erzählt habe«, bestätigte Angus mit so nachdrücklichem Sarkasmus, wie er momentan
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