Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
aufzubringen vermochte. Du billiges, degeneriertes Stück Scheiße. »Ich weiß sogar allerhand, was ich mir selbst vorerst verschweige. Aber auch wenn ich’s könnte, würd ich’s Ihnen nicht auf die Nase binden.«
»Na, dann lassen Sie mich mal raten«, murmelte Taverner, als wäre er taub für Angus’ Tonfall. »Unterstellen wir mal, die offiziöse Darstellung, wir seien hier, um dem Kassierer den Garaus zu machen, ist bloß ’n Trick. Gehen wir mal davon aus, ich bin der wahre Grund. Und Morn Hyland ist ’n Grund. Sonderlich einleuchtend klingt das nicht… Solange man nicht berücksichtigt, welche Gemeinsamkeit sie und ich haben. Schließlich ist sie in Station Potential gewesen. Bei den Amnion.«
»Hören Sie bloß auf mit Ihrer blödsinnigen Raterei«, erwiderte Angus mühsam. Seine eingefleischte Vorsicht trieb ihn dazu. »Damit zeigen Sie nur, daß Sie selber nicht kapieren, was Sie eigentlich tun.«
»Oh, ich weiß, was ich tu, das können Sie mir glauben«, widersprach Taverner. »Öffnen Sie den Mund.«
Obwohl er die Nik erst zur Hälfte geraucht hatte, schnippte er sie Angus auf die Zunge. Während Angus kläglich kaute und schluckte, zündete Taverner sich einen neuen Glimmstengel an.
»Ich stecke hier mit dem Kopf in der Schlinge. Aber ich dulde nicht, daß Sie oder sonstwer mich in die Scheiße reiten.«
Sein Ton bezeugte die ihm eigentümliche Bitterkeit. »Ich vermute, Sie dürfen mir nicht enthüllen, was Sie an Kenntnissen haben«, fügte er hinzu. »Wahrscheinlich ist’s sowieso wenig. Sie sind bloß ein willkürlich herausgegriffenes Opfer. Insofern sind Sie schlimmer als ich dran. Wir brauchen alle irgend jemand, der noch ärger als man selbst dran ist.« Versonnen betrachtete er Angus. »Oder dem wir’s so einrichten können.«
Angus sagte nichts. In diesen Augenblicken, so glaubte er, wäre er sogar sein Leben gegen die bescheidene Freiheit einzutauschen bereit gewesen, sich zu erbrechen.
Auch Taverner bewahrte von da an Schweigen, als hätte er alles Entscheidende ausgesprochen. Er wirkte, wie er da in dem Sessel lehnte, weitgehend entspannt. Nur die leidenschaftliche Hingabe, mit der er seine Niks rauchte, verriet seine unterschwellige Erregung.
Über eine Stunde lang, während sie zusammen warteten, ließ er Angus eine nach der anderen seine Nik-Kippen verzehren. Das Hotelzimmer sauberzuhalten, indem er Angus als menschlichen Aschenbecher benutzte, bereitete ihm allem Anschein nach eine obskure Genugtuung, als schenkte er dadurch der moralischen Verkommenheit der Umgebung eine neue, aussichtsreiche Perspektive.
NICK
Schade war es, wirklich jammerschade. Nick empfand die Frau in ihrer schutzlosen Trunkenheit eigentlich als durchaus attraktives Geschöpf. Sie hätte mehr sein können – sogar seinen Aufwand wert –, hätte sie nicht bereits einen Großteil ihres Lebens damit verbracht, sich das Hirn zu ruinieren. Aller konsumierte Alkohol hatte ihren Leib nicht verwüstet; wenigstens bis jetzt noch nicht. Daran erlaubte ihre nahezu völlige Nacktheit keine Zweifel. Sie hatte pralle, stramme Brüste; ihre Hüften boten makellos geformte Umrisse dar. Dennoch zeigten die Verschleiertheit ihrer Augen und die Erschlaffung des Munds an, daß sie kapituliert hatte; nicht vor Nick, sondern vor der Betäubung.
Das beeinträchtigte erheblich den Spaß an dem, was Nick zu erledigen hatte.
Er gab sich darüber mancherlei Gedanken hin, während er vortäuschte, die Frau über das ihr durch Angus im Nacken zugefügte geringe Wehwehchen hinwegzutrösten. Frauen. Wieso war immerzu alles eine Frage von Frauen? Wohin er auch ging, egal, was er tat, jedesmal verkörperten sie für ihn das Mittel zum Zweck – und gleichzeitig blieben sie dafür die Ursache, daß seine Ziele, wenn er sie erreicht hatte, als unbefriedigend erwiesen.
Anscheinend war diese Person zu betrunken, um sich darum zu scheren, was passierte. Die zerfahrene Zugänglichkeit, die ihr in der Miene stand, glich einem Ausblick in die Zukunft, lieferte ihm eine Vorahnung darauf, daß das, was er sich von ihr versprechen durfte, so abgedroschen war wie alles andere.
Doch er ließ nicht von ihr ab; vielleicht war er dazu unfähig. Die Kräfte, die ihn zum Handeln drängten, hatten eine fundamentale, nachgerade autonome Natur. Mit den Fingern einer Hand rieb er die läppische Verletzung; die Fingerknöchel der anderen Hand glitten durch die reizvolle Grube zwischen ihren Brüsten; sein Mund gurrte ihr zur
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