Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
ist Ihnen wahrscheinlich geläufig. Es zeigte sich, daß meine Untergebenen allesamt – ob direkt oder indirekt, ist einerlei – in Holt Fasners Sold standen. Die Ermittlungsergebnisse verschwanden und wurden nie wiedergesehen. Auf gewisse Weise ist es eine traurige Geschichte« – es war ein sehr vielschichtiger Kummer, der in seinem Tonfall Ausdruck fand –, »aber ihre Traurigkeit hängt vornehmlich mit der Torheit alter Männer zusammen. So sehr ich’s bedauere, ich glaube, Sie vergeuden mit mir Ihre Zeit.«
»Das bezweifle ich.« Min spürte, daß sie hier auf festerem Boden als vermutet stand. Möglicherweise versuchte Vertigus ihr auszureden, auf ihn zu bauen; allerdings mit dem ganz andersartigen Resultat, sich ihr als Geistesverwandter ausgewiesen zu haben. »Ich bin der Ansicht, Sie haben eine ungewöhnlich sinnvolle Entscheidung gefällt.«
Kapitän Vertigus rückte die Haltung seiner gebrechlichen Glieder zurecht. Mit leichtem Zittern der Glieder hob er die Hände, um sich Stirn und Wangen zu reiben, als müßte er die Folgen der Mühsal lindern, die es ihn kostete, den Blick auf Min geheftet zu lassen. »Dann sollten Sie mir wohl erklären« – seine schwächliche Stimme rasselte greisenhaft, doch schien darin ein seltsamer Nachhall von Hoffnung mitzuklingen – »weshalb Sie hier sind.«
Min Donner war keine Frau mit einem Hang zur Zögerlichkeit. »Wie ich schon bei unserer Terminvereinbarung angedeutet habe, geht es um eine höchst brisante Sache«, sagte sie zur Einleitung. »Eine viel zu brisante Angelegenheit, als daß wir sie ohne umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen diskutieren dürften.« Sie wies auf ihre Apparätchen. »Nicht einmal die Funkverbindung ist sicher genug.«
Tatsächlich hatte sie den ersten Anruf bei dem Konzilsdelegierten nicht unter eigenem, sondern in Godsen Friks Namen getätigt. Der Direktor des Ressorts Öffentlichkeitsarbeit hatte andauernd irgendwelche amtlichen, offiziellen Angelegenheiten mit EKRK-Deputierten zu erörtern; Min hingegen nicht. Sie hatte ihre wahre Identität erst preisgegeben, nachdem ihr von Kapitän Vertigus mit allem Nachdruck beteuert worden war, daß niemand das Gespräch belauschen konnte.
»Die Sache ist ganz einfach«, fügte sie hinzu. »Ich möchte Sie bitten, für mich etwas zu erledigen. Aber sollte je irgend jemand merken, daß ich damit zu tun habe – daß Sie nicht aus eigenem Antrieb handeln –, werden Sie scheitern.«
Der Konzilsdeputierte wartete, ohne die Hände zu senken oder den Blick von Min zu wenden.
»Bitte reichen Sie für mich eine Gesetzesvorlage ein. Und es ist mir wichtig, daß es bald geschieht, sagen wir, morgen früh. Falls ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt habe: ich will, daß Sie ganz allein mit Ihrem Namen dafür einstehen. Mich vollständig heraushalten. Sie müssen die Tatsache, daß wir uns darüber verständigt haben, ins Grab mitnehmen. Sonst geht das Vorhaben nicht gut. Und vertrauen Sie« – bei ihren Warnungen vergaß sie nichts – »auch Ihren Mitarbeitern nicht.«
»Direktorin Donner«, gab Kapitän Vertigus mit einem Anflug von Strenge zur Antwort, »ich bin kein Dummkopf. Für mich ist es Routine, aus meinen Fehlern zu lernen. Und ich beschließe« – er beugte sich vor, um Min noch fester anzublicken – »selbst meine Entscheidungen. Nur weil ich alt und gescheitert bin und nur zu gerne… sagen wir einmal, meinem Leben einen günstigeren Ausklang gäbe, heißt das keinesfalls, daß ich dazu Lust hätte, Ihre Marionette zu werden. Wenn Sie von mir verlangen, etwas für Sie durchzuführen, müssen Sie mich schon von der Notwendigkeit überzeugen.«
Min gestattete sich ein eisenhartes Lächeln. »Das weiß ich, Kapitän Vertigus. Sonst hätte ich Sie nicht besucht.«
Er schnaubte ungläubig. »Mit Schmeicheleien erreichen Sie bei mir gar nichts.« Trotzdem wirkte er ein wenig versöhnlicher, als er sich wieder zurücklehnte. »Also, was ist das für ein Wunsch?« wollte er erfahren. »Warum soll ich dafür meinen Namen hergeben?«
Die Stirn gerunzelt, weil sie plötzlich Unwillen dabei empfand, ihren Auftrag zu vollenden, griff sie unter das schlichte Angestelltinnenkostüm, das sie trug, und zückte einen Computerausdruck. Je länger sie sich mit Kapitän Vertigus unterhielt, um so sympathischer wurde er ihr – und um so mehr widerstrebte es ihr, ihm Schwierigkeiten zu verursachen. Doch ihre Treue zu Warden Dios und der VMKP ließ ihr keine Wahl.
Grimmig schob sie Vertigus
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