Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
doch Sachen, auf die’s gar nicht ankommt«, entgegnete er gedämpft. »Wie ich’s sehe, steht er vor genau dem Problem, das er uns geschildert hat. Er hat diesen Knaben den Amnion versprochen. Und jetzt kann er nicht liefern.« Langsam schaute er auf und erwiderte Angus’ bösen Blick. »Sein ganzes Gerede war nichts anderes als ein Hilfegesuch.«
Am liebsten hätte Angus ihm ins Gesicht gespien. »Na, wir werden’s ja bald erfahren, was?« grummelte er verbiestert. »Wenn Scheißkapitän Schluckorso aufkreuzt, um Davies zu holen, hat er uns nicht reinzulegen versucht. Dann ging’s ihm wohl bloß darum, sich ’n kleines Späßchen zu erlauben.« Uns von etwas viel Wichtigerem abzulenken. »Läßt er sich nicht mehr blicken, ist klar, daß wir bis über die Augen in der Kacke stecken.«
Voller äußerster Vehemenz deutete er auf Davies. »Wollen Sie nun mitanpacken, Sie Wichser«, schnauzte er, »oder nur da rumstehen, bis Ihnen der Schwanz abfällt?!«
Ärger rötete Taverners Gesicht, so daß sich die Flecken seiner Kopfhaut deutlicher abzeichneten. Dennoch verkniff er sich eine Widerrede. Knapp zuckte er die Achseln und kam, um Angus behilflich zu sein.
Der Junge hatte sich vollständig starr verkrampft, bildete eine Art lebendigen Pakets, zusammengehalten durch die Flexistahlbänder seiner Bedrängnis. Seine Brust saugte durch die Zähne Luft ein, erzeugte ein scharfes, verhängnisschwangeres Zischen; sonst regte sich an ihm nichts. Die Lider hatte er fest geschlossen.
Eine unvertraute Anwandlung, die beinahe auf Mitgefühl hinauslief, rührte an Angus’ Herz. Er spürte die ungeheuerliche Not, in die die Krise seinen Sohn gestürzt hatte. Er wußte so genau, was sich in dem Burschen abspielte, als hätte Morn es ihm erklärt. Davies erinnerte sich an die unumschränkte Macht des Hyperspatium-Syndroms, den Selbstvernichtungsbefehl; entsann sich an die Ausrottung seiner ganzen Familie.
Aber nichts davon war ihm zugestoßen; weder krankte er an dem Syndrom, noch hatte er die unselige Tat begangen. Und ebensowenig hatte er die Folgen erlebt. Doch Morn Hyland, deren Erinnerungen es wirklich waren, hatte alles besser als er bewältigt. Sie war dem gleichen grenzenlosen, unabweisbaren Grauen unterworfen worden und daraus als Kämpferin hervorgegangen…
Auf gewisse Weise hatte sie Angus dazu gezwungen, ihr ein Zonenimplantat einzupflanzen. Ohne diese Vorsichtsmaßnahme hätte sie einen Weg gefunden, um ihn zu töten. Zumal wenn sie damit gleichzeitig das eigene Leben hätte beenden können.
Ihr Sohn zerbrach an dem, was sie längst überstanden hatte.
Angus’ Sohn.
Noch ein Opfer fürs Kinderbett.
Angus’ Anteil an Davies hatte den Jungen schwächer als seine Mutter gemacht.
Und nun war Morn unter Umständen unwiederbringlich verloren, weil Davies eine zu schlappe Type war, um bei dem beabsichtigten Tauschgeschäft einen reellen Gegenwert für Morn abzugeben.
Während Angus vergeblich vor sich hinschäumte, packte er Davies mit den Fäusten, scheuchte Taverner an die Arbeit. Sein Drang zum Töten, irgendwen oder irgend etwas zu morden, war dermaßen stark, daß ausschließlich seine leistungsfähigen Z-Implantate und die unleugbare apparative Logik des Interncomputers ihn an Gewaltakten hindern konnten.
Er und Taverner verfuhren einigermaßen behutsam mit Davies. Der Lift beförderte sie zum Mittschiffskorridor hinauf; von da aus mußten sie Davies zum Kommandomodul tragen. An der Konnexblende hielt Taverner den Jungen, während Angus hindurchklomm; auf der anderen Seite wuchtete er den bleischweren fötalen Ballen auf die Brücke und hob ihn sich für die kurze restliche Strecke kurzerhand auf die Arme. Nach flüchtigem Zögern ließ er Davies in den G-Andrucksessel des Ersten Offiziers plumpsen. Als Taverner die Steuerbrücke betrat, saß Angus schon an seiner Kommandokonsole und tippte Befehle ein, die das Kommunikationslogbuch der Posaune auf einen Monitor projizierte.
Das Computerlogbuch hatte routinemäßige Bulletins der Leitzentrale, die vor der Aktion von Taverner entzifferte Nachricht Succorsos sowie eine herrische Mitteilung des Kassierers gespeichert.
Letztere lautete: An Kapitän Angus Thermopyle, Posaune. Es sind Verstöße gegen meine Sicherheitsregelungen verübt worden. Kapitän Thermopyle, ich sehe Sie dadurch genauso wie mich bedroht, weil ich die Absicht habe, Sie den Ärger ausbaden zu lassen, wenn Sie mich nicht bei der Aufklärung dieser Vorfälle unterstützen und etwas
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