Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
es aufzeichnen, wenn er in die Schleuse kam. Die Tatsache, daß jemand sich an Bord der Posaune verbarg, konnte nicht mehr allzu lange geheim bleiben. Angus, Taverner und Davies schwebten in keiner Gefahr, solange niemand sich vorzustellen vermochte, daß Angus über die Möglichkeit verfügte, ein refraktives Störfeld zu emittieren; solange der Kassierer eher glaubte, Succorso hätte einen Code erhalten, um eigenständig die Posaune aufsuchen zu können.
Aus dem Lift beeilte Angus sich zur Schleusenkontrolltafel und veranlaßte das Öffnen der Schleusenpforte; während des Öffnungsvorgangs versteckte er sich im Lift, wo er sich außerhalb des Aufnahmebereichs der Überwachungsanlagen befand.
Draußen stand Succorso diesseits des Scanningfelds. Seine Augen wirkten dunkel und hohl, tief wie Wunden; die Narben auf seinen Wangen ähnelten Aschestreifen. Trotzdem trug sein Mund ein romantisches Piratenlächeln zur Schau, und die Arme baumelten locker an den Schultern, als hätte vor nichts Furcht.
Er war allein.
Zur Warnung legte Angus einen Finger an die Lippen, ehe er Succorso in die Schleuse winkte.
»Haben Sie ihn?« wünschte Succorso in achtlosem Tonfall zu erfahren, kaum daß sich hinter ihm die Schleuse geschlossen hatte.
Angus wartete mit seiner Antwort, bis Succorso zu ihm in die Liftkabine gesellt hatte. »Sie sind hier derjenige, der ’n Todeswunsch verspürt, nicht ich«, erklärte er dann. »Verräterei macht Ihnen solches Vergnügen, daß Sie lieber Ihren Verbündeten in den Rücken fallen, statt ihnen zu helfen, egal wie verzweifelt Sie sie benötigen.«
Mit einem regelrechten Faustschlag betätigte er die Taste, die die Aufzugkabine nach oben in Bewegung setzte.
Succorsos Lächeln entgleiste. »Was soll das heißen?«
Angus hätte ihn verdroschen, hätte es ihm freigestanden. Aber seine Zonenimplantate verwehrten es ihm, also gab er sich alle Mühe, um sich mit Worten an Succorso zu rächen. »Sie haben mir verschwiegen, daß Davies mein Kind ist. Und daß er Morns Gedächtnis hat. Das war ’n Fehler, Sie Arschloch… Ein schwerer Fehler.«
Succorso hob die Schultern. Etwas wie ein Schwelbrand glomm in den wunden Tiefen seiner Augen. »Also haben Sie ihn?«
Der Lift stoppte, die Türflügel teilten sich; Angus wies Succorso den Weg zur Steuerbrücke. »Ob’s Ihnen noch was nutzt, weiß ich nicht.«
Succorsos Miene spiegelte eine Frage wider; doch er sprach sie nicht aus. Er tänzelte durch Thanatos Minors geringe Gravitation, ging zum Kommandomodul voraus.
Dicht hinter ihm folgte Angus seinem Erzfeind den Niedergang zur Konnexblende hinab.
In Angus’ Abwesenheit hatte Milos Taverner sich endlich dazu entschieden, Davies aus dem G-Andrucksessel zu schieben. Der Junge lag jetzt, nach wie vor in eingerollter Haltung, zwischen den Kontrollkonsolen auf dem Deck. Er atmete merklich schneller als vorher: er rang nach Luft, als drohte er zu ersticken. Aber seine Augen blieben geschlossen. Falls überhaupt irgend eine Änderung eingetreten war, dann höchstens, daß seine Muskulatur sich noch straffer geballt hatte.
Taverner saß an seinem Platz und rauchte wie ein Besessener. Er drehte den Sitz zum Eingang; aber er erwiderte weder Succorsos Blick noch Angus’ bösartiges Stieren.
»Christus auf Krücken, Kaptein Thermogeil«, nölte Succorso, »Sie sollten ihn befreien, nicht dermaßen den Kinderschreck spielen, daß er in Autismus verfällt.«
Beim Klang seiner Stimme riß Davies die Augen weit auf. Weißlich starrten sie wild und blind, wie in vollkommenem Wahnsinn, Succorsos Stiefel an.
Ein zweites Mal rührte ein Anflug des Mitleids Angus’ Herz.
»Das war keineswegs ich.« Angus drängte Succorso beiseite und nahm im Kommandosessel Platz. Er wandte den Sitz Succorso zu, stützte die Fäuste auf die Konsole, als wäre er bereit zum Bedienen der Materiekanone oder Manöver. »Sie sind daran schuld… Sie haben die Situation herbeigeführt. Mich zu sehen, hat bei ihm ’ne Art von Gedächtniskrise verursacht. Hätten Sie mich vorgewarnt, wär’s mir vielleicht möglich gewesen, so was zu vermeiden. Statt dessen hab ich sie verschlimmert, weil ich keine Ahnung hatte, was passierte… Es kann sein, daß die Amnion ihn in diesem Zustand nicht mehr haben wollen. Ich weiß es nicht, und ich scheiß drauf. Sie haben diesen Mist gebaut, also sehen Sie zu, wie Sie die Sache ausbaden. Wir haben eine Vereinbarung getroffen. Morn gegen Davies. Mein Teil ist erfüllt. Nun sind« – sein Ton
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