Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
seine Augen. »In diesem Fall« – ein schiefes Lächeln entstellte seinen Mund – »können Sie ihr Adieu sagen.« Er lachte, so daß es klang, als bräche Glas. »Das heißt, Sie haben ihr ja längst Adieu gesagt. Als Sie sie bei Mallory gesehen haben, war schon das letzte Mal. Sie brauchen mich nicht zur Schleuse zu begleiten.« Er lachte nochmals. Dieses Mal hörte es sich an, als splitterten Knochen. »Ich finde den Weg allein.«
Er wandte sich zur Konnexblende des Kommandomoduls um.
Davies stemmte sich auf die Knie hoch und sprang vorwärts, umschlang Succorsos Beine.
Succorso taumelte einen Schritt; erlangte die Balance zurück. Angus unterstellte, daß sein Sohn gehörige physische Stärke aufbieten konnte; er selbst hatte in Davies’ Alter schon Bärenkräfte gehabt. Aber durch die Anstrengung, die es den Jungen gekostet hatte, sich mit derartiger Verkrampftheit zusammenzurollen, war er erheblich geschwächt worden. Er schaffte es nicht, Succorso von den Beinen zu reißen.
Trotz Davies’ Umklammerung fuhr er herum. »Laß mich los, du kleiner Drecksack!«
Davies’ Mund klaffte. Ein Krächzen, das ein ersticktes Geheul sein mochte, drang aus seiner konvulsivischen Kehle. Er setzte einen Fuß auf, fand so genug Halt, um Succorso auszuhebeln, so daß er rücklings gegen die Konnexblende torkelte.
Noch im selben Moment, als Succorso ans Metall prallte, schlug er Davies so brutal gegen die Schläfe, daß der Junge zur Seite sank.
Doch Davies ließ nicht locker. Succorsos Beine hatte er nicht mehr im Griff, also klammerte er sich an einen Fuß. Mühsam dem Zweck untergeordnete Raserei loderte ihm im Gesicht.
Schnell und wuchtig wie eine Kolbenstange trat Succorso ihn in die Magengrube.
Davies mußte den Tritt jedoch vorhergesehen haben. Er hatte Morns Ausbildung und Angus’ Instinkte. Ungeachtet seiner Schwäche und der Schmerzen nahm er die Fäuste von Succorsos Fußknöchel, und als ihn statt dessen der andere Fuß traf, schlang er die Arme um das Bein und warf sich seitwärts, zog Succorso mit bis auf den Fußboden.
Inzwischen war Milos Taverner aufgesprungen; allerdings nicht etwa, um einzugreifen, sondern um soviel Abstand wie möglich zu den beiden Kontrahenten zu wahren.
Angus saß, wo er sich hingesetzt hatte, umklammerte Morns Id-Plakette derartig gewaltsam, daß die Kanten ihm in den Handteller schnitten, während er seinen Erzfeind beobachtete.
Von neuem hatte er das desorientierende Gefühl, mehr als eine Person zu sein; gleichzeitig auf verschiedenen Realitätsebenen zu existieren. Ein Teil seines Ichs schwang sich aus dem Andrucksessel und stürzte sich voller Eifer ins Handgemenge, begierig-froh über die Gelegenheit, seine aufgestockten körperlichen Fähigkeiten zu erproben, Succorso die endlose Marter wenigstens in einigem Umfang heimzahlen zu können. Verflucht noch mal, mit seinen cyborgisch aufgemotzten Kräften konnte er Succorso ohne sonderlichen Aufwand auseinandernehmen. Und die seltsamen Anwandlungen des Mitleids machten sich stets heftiger bemerkbar. Davies war sein Sohn…
… eine schwächere Ausgabe seiner selbst…
Schwach durch die Krämpfe und das unvorstellbare Leid seiner Mutter.
Und doch regte Angus sich nicht. Vorprogrammierte Instruktionen hielten ihn zurück, gespeicherte Instruktionen, die es ihm verboten, Tätlichkeiten gegen irgend jemand zu begehen, der in Verbindung mit der VMKP stand, die Davies als bar aller Bedeutung einstuften. Er saß da und schaute dem Kampf zu, als brächte er dafür lediglich rein abstraktes Interesse auf, während er im Innern seines Schädels geradeso heulte wie sein Sohn.
Nick Succorso war gut, das mußte Angus zugeben. Kaum schlug er aufs Deck, war er mit einem Satz auch schon auf den Knien, drosch Davies ein-, zwei-, dreimal ins Gesicht, und nochmals ein-, zwei-, dreimal, viel zu schnell für Davies, um die Hiebe abzuwehren. Blut quoll aus Davies’ Wangen, dem Mund, den Brauen. Japsend, abgehackten Schreien gleich, atmete er durch den weit aufgesperrten Mund.
Aber trotz allem gab Davies nicht auf. Er zog unter Succorsos Faustschlägen den Kopf ein und klammerte sich nur um so fester an sein Bein, als kämpfte er um Morns Leben, versuchte mit aller Kraft näher zu Succorso vorzukrauchen, nahe genug, um ihm irgendwie zusetzen zu können.
»Scheiße!« keifte plötzlich Milos Taverner. »Thermopyle, Succorso macht ihn kalt!«
Mit dem gleichen abstrakten Angewidertsein wie zuvor fragte sich Angus, ob Taverner sich etwa
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