Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
haben.«
Milos hielt es für besser, den Anfang mit dem zu machen, was der Amnione seine ›Ansprüche‹ genannt hatte. Allerdings war er sich über ihre Natur momentan selbst nicht so recht im klaren. Beschützt mich. Rettet mein Leben. Rächt mich. Diese Wünsche blieben irgendwie zu vage; doch seine Furcht vereitelte, daß ihm Sinnvolleres einfiel. Er hatte, was die Amnion anbelangte, keinerlei Ahnung. Wie sollte er sie um Schutz ersuchen, wenn er nicht absehen konnte, wie sie auf die ›Lügen und Wahrheiten‹ reagierten?
Wenn sie eine Gossengang waren – wenn nicht dem Namen, so doch allemal dem Wesen nach –, warum verhielten sie sich nicht so?
»Vielleicht wissen Sie schon Bescheid«, sagte er, schwitzte pausenlos in der Enge der Atemmaske. »Diese Möglichkeit kann ich nicht ausschließen. Hier ist einfach zuviel Verrat im Gange. Zu viele Lügner sind beteiligt. Was weiß ich, vielleicht stecken Sie sogar mit allen und jedem unter einer Decke… Sprechen die Machenschaften samt und sonders ab, nutzen Leute aus, um…«
»Milos Taverner«, unterbrach Vestabule ihn mit seiner rostig-rauhen Stimme, »ich kann auf Ihre Andeutungen nicht eingehen, wenn Sie mich nicht über den genauen Inhalt in Kenntnis setzen. Offensichtlich sind Sie besorgt. Aber Sie haben bisher nicht den eigentlichen Ursprung Ihrer Beunruhigung erwähnt.«
»Weshalb unternehmen Sie nichts gegen Thermopyle?« fragte Milos, als hätte er ein Stichwort erhalten.
Ausdruckslos musterte ihn der Amnioni. Nur Vestabules menschliches Lid regte sich.
»Ich habe Sie ausdrücklich vor ihm gewarnt«, fügte Milos eilig hinzu. »Er ist durch die VMKP von der KombiMontan-Station angefordert worden – zusammen mit mir –, und die Astro-Schnäpper haben ihn einer Unifikation unterzogen, ihn zu einem Cyborg gemacht, ich hab’s Ihnen doch mitgeteilt. Ihm sind ’n Computer, Zonenimplantate, Laser und Gott weiß was noch alles eingepflanzt worden, und man hat ihn hergeschickt, um Kassafort zu vernichten. Das alles wissen Sie von mir. Warum unternehmen Sie gegen ihn nichts?«
Wieso empfindet ihr ihn nicht als Bedrohung?
Was geht hier eigentlich vor?
Nun nickte Marc Vestabule. »Ich verstehe, was Sie meinen. Unsere Reaktion – oder das Ausbleiben einer Reaktion – auf die durch Angus Thermopyle verkörperte Gefährdung verursacht Ihnen Sorge. Diese Frage können wir diskutieren. Glauben Sie, daß die Abwehrmittel des Kassierers gegen diese Gefährdung inadäquat sind?«
»Ich weiß genau, daß sie’s sind«, schnob Milos. »Ist Ihnen entgangen, daß Davies Hyland – der junge Bursche, den Sie so dringend haben wollen – ihm unter der Nase weggeschnappt worden ist? Hat der Kassierer Sie darüber nicht informiert?«
Gleichmütig nickte Vestabule. »Er hat uns informiert.«
»Na, und derjenige, der’s getan hat, war Thermopyle«, antwortete Milos rasch. »Ich war die ganze Zeit hindurch dabei, ich hab’s miterlebt. Wir sind einfach in die Zelle gegangen und haben ihn rausgeholt. Wir haben ihn in die Posaune gebracht. Und der Kassierer hat’s nicht verhindert. Er konnte es nicht, weil er nämlich gar nicht wußte, was passiert. Er weiß bis jetzt noch nicht, wo der Junge abgeblieben ist.«
Ein nur tendenzieller Ausdruck, der auf eine Miene der Unzufriedenheit hinauslaufen mochte, verzog Vestabules menschliche Gesichtshälfte. »Diese Behauptung ist nicht ganz richtig.« Er drehte ein wenig den Kopf und berührte sein linkes Ohr. Zum erstenmal bemerkte Milos, daß der Amnioni einen kleinen Empfänger im Ohr hatte. »Seit dem Zeitpunkt Ihrer Ankunft steht der Kassierer mit uns in regelmäßigem Kontakt«, erklärte Vestabule. »Er sieht Grund zu der Annahme, daß Davies Hyland von Ihnen und Angus Thermopyle entführt worden ist. Deshalb vermutet er wahrscheinlich auch, daß Davies Hyland sich an Bord der Posaune aufhält. Er fordert, daß wir Sie ihm ausliefern, damit er von Ihnen den wahren Ablauf des Vorfalls erfahren kann. Er erwähnt keine eventuellen besonderen Fähigkeiten Angus Thermopyles. Hingegen ist ihm bekannt, daß Sie es sind, der Macht über Angus Thermopyle hat. Infolgedessen glaubt er, daß Sie der Urheber der stattgefundenen Entführung sind. Und vielleicht gibt er, weil Sie jetzt zu uns gekommen sind, sogar den Amnion die Schuld.«
Milos zuckte heftig. Aber trotz seiner Bestürzung klammerte er sich entschieden an das, wovon sein Überleben abhing. »Das erklärt nicht, warum Sie nichts unternommen haben.«
Er mußte die
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