Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
Demütigungen gefaßt machen.
Sobald die Sensoren eine atembare Atmosphäre maßen, entriegelte die Kosmokapsel automatisch die Verschlüsse der Anti-G-Gurte und öffnete die Luke.
Sofort packte eine Faust die Luke und schwang sie auf.
Davies blickte in die Mündung einer Impacter-Pistole.
»Raus mit dir!« forderte eine seltsam leblose Stimme.
In Gedanken noch völlig bei Morn, befürchtete Davies, er würde vor Grausen aufheulen. Aus irgendeinem Grund tat er es nicht. Statt dessen knirschte er einen Fluch, schob den Lauf der Waffe beiseite und stemmte sich hoch.
Er hatte recht: die Kosmokapsel war in das Raumschiff eingeholt worden. Tatsächlich in einen Laderaum, hatte er den Eindruck, nicht in ein klinikmäßig ausgestattetes Notaufnahme-Medizinalrevier, wie es normalerweise mit Rettungsbooten geschah; dafür sprachen, daß die Kapsel mit derselben Art von Flexistahlreifen umringt worden war, mit denen man an Bord von Frachtern Kisten und Ausrüstungsgegenstände fixierte, sowie der Mangel an Wärme.
Der Mann mit der Impacter-Pistole wirkte zumindest am allerwenigsten wie ein MediTech. Seine schlaffen Gesichtszüge und toten Augen gaben ihm das Äußere eines Nervensprit-Junkies, der dabei war, seine Abhängigkeit zu ihrem logischen Abschluß zu bringen. Er steckte in einer zu nichtssagenden Bordmontur, als daß sie Rückschlüsse auf Rang oder Funktion des Trägers erlaubt hätte. Auf alle Fälle jedoch mußte er so etwas wie ein Wächter sein. Er führte die Impacter-Pistole nicht auf herkömmliche Weise; vielmehr war sie ein Teil seines Körpers, eine Prothese, die ihm den rechten Unterarm ersetzte. An der Stelle des linken Fußes hatte er unterhalb der Wade ein Dreibein aus Metall. War er wirklich ein Nervenspritsüchtiger mit überwiegend erschlafften, taub gewordenen Muskeln, brauchte er wahrscheinlich diese Stütze, um dem Rückstoß der Impacter-Pistole gewachsen zu sein. Und die Waffe mußte dann in seinen Arm integriert sein, weil er andernfalls nicht zielen könnte.
»Raus!« wiederholte er und richtete die Mündung der Pistole langsam wieder auf Davies’ Gesicht.
»Scheiße, hetz mich nicht«, maulte Davies, als wäre er sein Vater.
Aber er zögerte nicht und kletterte aus der Kapsel.
Unverzüglich krallte sich die Kälte in seine Haut. Der Schweiß von Stunden gefror auf seiner Haut zu Eis. Er schlotterte schon, als er sich umschaute, um zu sehen, ob der Wächter allein war, um festzustellen, ob er etwas gewinnen könnte, wenn er den Mann in den Bauch trat und ihm die Waffe abriß.
Der Wächter war nicht allein. Fünfzehn oder zwanzig Meter entfernt standen ein zweiter Mann und eine Frau und beobachteten Davies. Thermoanzüge verliehen ihnen unförmige Umrisse; doch ihre Hände und Stiefel sahen normal aus, und sie hatten Menschengesichter.
Weil der Mann einen besonders langen, schmalen Kopf hatte, ähnelte er einer Karikatur seiner selbst. Wegen seiner ungewöhnlichen Körpergröße hatte man auf den ersten Blick das Empfinden, als wäre seine ganze, vom Thermoanzug umhüllte Gestalt so dünn. Das Lächeln eines fast lippenlosen Munds umspielte schiefe Zähne. Unter einer Matte schmuddligen Haars glitzerten seine Augen, als hätte er sein Konzentrationsvermögen künstlich mit Encephalinen verstärkt.
Dank dieses Glitzerns und seines Lächelns sah er wie ein Irrer aus.
Im Vergleich zu ihm wirkte die Frau psychisch stabil. Trotz einiger Falten hatte sie ein noch gutaussehendes Gesicht; ein paar graue Strähnchen minderten den üppigen Glanz ihres Haars kaum. Davies hätte sie als reife Schönheit eingeschätzt, deren beste Jahre noch nicht lange hinter ihr lagen. Nur eine leichte Steifheit in der Weise, wie sie sich bewegte, deutete an, daß sie älter sein mochte, als sie aussah.
Der Mann lächelte breiter, während er Davies musterte. Für einen ausgedehnten Moment sprach niemand ein Wort. »Na, das ist ja ’ne Überraschung«, sagte der Mann schließlich, während seinem Mund eine Dunstwolke entschwebte. Die Stimme paßte nicht zu seiner Erscheinung; es war die Stimme eines Kindes mit rosigen Bäckchen und überschäumender Begeisterungsfähigkeit. »Noch ’ne Überraschung.«
»Was meinst du?« fragte die Frau mit kraftvoller, tiefer Altstimme.
»Was?« Ihr Begleiter blickte sie mit einer Miene an, die möglicherweise Belustigung widerspiegelte. »Erkennst du ihn nicht?«
»Nein.« Die Frau runzelte die Stirn. »Je nun, doch. Aber das ist unmöglich. Er ist viel zu
Weitere Kostenlose Bücher