Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Titel: Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
zu stark belasteten Gemeinden die Jugend nicht mehr hinlänglich verpflegen und versorgen konnten, weil die Bildungssysteme es stärker aufs Kontrollieren als aufs Unterrichten der Schüler anlegten, weil erheblichen Wandlungen unterworfene Lebensstile und umfangreiche technische Neuerungen die Fähigkeit der Familien zersetzten, ihren Kindern Stabilität zu bieten, weil die schnelle Ausbeutung des Planeten und der immer rasantere Verbrauch seiner Ressourcen in wachsender Armut resultierten, der niemand noch etwas entgegenstellen konnte, weil die Steuerpolitik der Regierungen den Hauptzweck hatte, das Wohlergehen weniger gegen den Hunger vieler zu verteidigen und weil schließlich kein Staat mehr genug Geld für Polizei und zur Kriminalitätsbekämpfung aufzubringen imstande war: aus all diesen und sonstigen Gründen entstanden überall in den ausgewucherten urbanen Zentren der Erde Gossengangs und gediehen mit bis dahin in der Geschichte der Menschheit beispielloser Vitalität.
    Die Mitglieder der Gossengangs litten Hunger, hatten nie Liebe, sondern nur Mißhandlung und Verachtung gekannt, fühlten sich ins Abseits gedrängt: darum leisteten sie Gegenwehr. Dazu waren sie erfolgreich fähig, weil sie ihr Überleben derselben, im Zerfallen begriffenen Infrastruktur abrangen, die die Voraussetzungen für ihre Existenz geschaffen hatte – und dadurch beschleunigten sie den Niedergang dieser Infrastruktur, schufen noch schlimmere Zustände für die Menschen, die inner- statt außerhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse der Erde lebten, begünstigten sie die Gründung stets neuer Gossengangs.
    Ganz ähnlich wie Konzerne oder Regierungen verstärkten sie rasant die Entropie, erzeugten sie rings um sich Unordnung, um für sich selbst Ordnung zu haben. Sie schufen nichts, produzierten nichts, aber eigneten sich an, was andere Leute schufen oder produzierten. Darüber hinaus zerstörten sie die gesellschaftlichen Konstrukte und Sozialpakte, die das Schaffen und Produzieren überhaupt ermöglichten. Sie betätigten sich als Parasiten am Körper der menschlichen Zivilisation, so wie die Zivilisation selbst Parasit war am Körper des Planeten. Manche Zyniker postulierten, die Gossengangs repräsentierten das unweigerliche Resultat des dubiosen sittlichen Empfindens der Menschheit: bis zum logischen Extrem getriebene Habgier und Selbstsucht.
    Normalerweise sind Parasiten früher oder später immer Verlierer. Ein Parasit ernährt sich von seinem Wirt, bis er stirbt; und mit dem Ableben des Wirts verhungert auch der Parasit. Doch die Gossengangs setzten sich zu hartnäckig fest, um durch irgend etwas anderes als den vollkommenen Kataklysmus oder absolute Tyrannei ausgemerzt werden zu können. Und die Erfindung des Ponton-Antriebs sicherte ihr Dasein, statt seine Grundlagen zu schwächen.
    Der interstellare Raumflug gab der Menschheit die Gelegenheit, ferne Asteroidengürtel und Planetensysteme wirtschaftlich zu erschließen und zu nutzen; mit anderen Worten, er vergrößerte den erhältlichen und verteilbaren Reichtum. Naturgemäß hatte die Verbreiterung der Ressourcenbasis eine Stärkung der irdischen Infrastruktur zur Folge; und dadurch erhielten auch die Gossengangs mehr zur Bereicherung. Indem der Ponton-Antrieb das Leben des Wirts verlängerte, gewährte er dem Parasiten mehr Zeit, um sich auszubreiten und zu vermehren; er erhöhte das Tempo, mit dem der Parasit den Wirt aussaugte.
    Infolgedessen ließ sich ohne weiteres glauben, einmal würden Gossengangs die Erde beherrschen.
    Doch der Kontakt zu den Amnion veränderte diese gesamte gesellschaftliche Gleichung. Die Konfrontation mit einer fundamentalen, heimtückischen und vor allem äußeren Gefahr wendete den Lauf der Geschichte gegen die Gossengangs.
    Die Konsequenzen dieser Konfrontation ließen sich kaum als vernachlässigbar bezeichnen. Offenbar sollte der Kampf ums Überdauern des Menschengeschlechts hunderte oder tausende von Lichtjahren entfernt stattfinden und mußte von eben den Kräften ausgefochten werden, die die Infrastruktur aufrechterhielten. Das Schicksal der Menschheit entschied sich nicht auf der Erde, sondern andernorts: die Gossengangs lebten oder starben mit ihrem Wirt. Nach den herkömmlichen Regeln des Parasitismus hatte weder die Gesellschaft einen Grund zur Veränderung, noch hätten die Gossengangs dazu einen Anlaß gehabt. Aber das Wissen um einen Feind, den sie nicht sehen konnten und gegen den sie nie kämpfen mußten, veränderte die

Weitere Kostenlose Bücher