Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
erschien der Schriftzug ZUR ZEIT KEIN ZUTRITT – SCHIFF LEGT IN KÜRZE AB.
Gut. Trotz seiner Furcht verzog Nicks Mund sich zu einem raubtierhaften Grinsen. Sein Plan bewährte sich. Egal was sonst passieren mochte, dieser verfluchten Hexe würde er Mores lehren.
Mit erneuerter Selbstbeherrschung – auch wenn es ihm nicht gelang, das Zucken in seiner Wange zu verhindern – setzte er den Weg fort.
Hinter der nächsten Ecke, nur zwanzig Meter hinter der einzigen erleuchteten Anzeigetafel dieses Abschnitts, lag die Käptens Liebchen.
Als er sah, daß man den Zugang zu seinem Raumschiff bewachte, schlug seine Beunruhigung augenblicklich in Wut um.
Dort standen zwei Männer, jeder mit einem Impacter-Gewehr bewaffnet. Einer hatte an der Stelle des linken Auges eine Videoprothese; der andere ähnelte einem Gorilla, den man so überzüchtet hatte, daß er mit den bloßen Fäusten Beton zerbrechen konnte.
Beide hatten gerötete Gesichter und atmeten schwer, als wären sie gerade angerannt gekommen.
Sie hatten Nick schon bemerkt, beobachteten ihn, während er sich näherte. Ihre Gewehre waren auf seine Brust gerichtet.
Er hätte auf dem Absatz kehrtmachen und davonlaufen sollen. Die zwei Kerle konnten nur mit dem Auftrag hier sein, ihn festzunehmen. Entweder beabsichtigte der Kassierer ihn wegen der Gerüchte, die Mikka und Sib über Sorus Chatelaine ausgestreut hatten, zur Rede zu stellen, oder er brachte ihn irgendwie mit Davies Hylands Befreiung in Verbindung. Wenn Nick jetzt nicht das Weite suchte, sich nicht schleunigst verdrückte, war er erledigt…
Ohne sein Raumschiff hatte er keine Chance.
Und er konnte nirgends Zuflucht finden.
Sein Schädel schmerzte, als hätten sich Knochensplitter hineingebohrt. Angetrieben vom eigenen Schwung und seiner Empörung, hielt er schnurstracks auf die Wächter zu, als ob sie ihn nichts angingen; als könnte er einfach zwischen ihnen hindurch an Bord seines Raumschiff stapfen.
Aber sie fielen auf einen so kläglichen Bluff nicht herein. Sie rückten zusammen und verwehrten ihm den Zugang. Der Mann mit dem Videoauge hob das Gewehr an die Schulter und legte den Finger fest auf die Abzugstaste.
Nick blieb stehen. Er hatte schlichtweg keine Wahl.
Er faßte den Vorsatz, wenigstens einen dieser Burschen irgendwie abzumurksen, bevor man ihn wegschleppte.
»Was soll denn das, ihr blöden Arschlöcher?« schnauzte er das Paar an. »Da liegt mein Schiff angedockt. Ich gehe an Bord.«
»Nein, Sie gehn nicht.« Der Gorillatyp entblößte schlechte Zähne. »Sie sind ausgesperrt.«
Ausgesperrt?
»Bis zur Beilegung Ihrer Differenzen mit dem Kassierer«, erklärte der andere Posten, als trüge er ein Zitat vor, »wird Ihnen der Zutritt in Ihr Raumschiff verweigert.«
Ausgesperrt?
»Selber blödes Arschloch«, fügte der Gorillamensch zufrieden hinzu.
Genausogut hätte man sagen können: Der Kassierer hat beschlossen, Sie umzubringen, er weiß nur noch nicht wie.
Im ersten Moment glaubte Nick, tatsächlich endgültig erledigt zu sein. Nirgends konnte er mehr hin, nichts schützte ihn noch; alle seine Optionen hatten versagt. Die Erkenntnis der Niederlage durchwuchtete ihn, als bräche sich ein angestauter Schrei Bahn.
Aber da begriff er, daß die zwei Posten keinen Befehl erhalten hatten, ihn zu arrestieren. Noch genoß er seine Bewegungsfreiheit.
Ohne Übergang durchströmte ihn kämpferische Ruhe. Sie sind schon ’n toter Mann. Milos Taverner hatte die Wahrheit gesagt. Hier in Kassafort war Nick ohne die Käptens Liebchen nichts.
Nichts außer er selbst: Nick Succorso. Der Mann, der nie unterlag.
Der Mann, dem Sorus Chatelaine das Gesicht zerschnitten, den sie hilflos an Bord der ursprünglichen Käptens Liebchen zurückgelassen hatte; der Mann, der von diesem Tod wiederauferstanden war und zu einer lebenden Legende geworden.
Insgeheim maß er die Abstände, schätzte die Chancen ein, ob es ihm gelingen könnte, beide Knarren gleichzeitig zur Seite zu stoßen und ein paar Hiebe auszuteilen.
Der Gorillatyp wirkte, als wäre er einen Schlag zu verkraften fähig, der Nicks Faust zerschmettern müßte, und würde immerzu nur weitergrinsen.
Nick setzte selbst sein Lächeln auf: schwärzlich wölbten sich unter seinen Augen die Narben. Der Tic war aus der Wange verschwunden. »Ich vermute, der Kassierer hat nicht zufällig erwähnt«, erkundigte er sich, als hätte er nicht eben sein Todesurteil vernommen, hätte er angesichts der Drohungen seitens der Amnion, der
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