Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
er ein Wort sagen kann!
Bedächtig warf Milos seine brennende Nik auf Angus’ Zunge.
Starr stand Angus da, als wäre er gelähmt, als hätten Warden Dios und Hashi Lebwohl ihn dem Tod ausgeliefert.
»Josua«, sagte Milos Taverner mit Zufriedenheit in der Stimme. »Sie erhalten nun einen Befehl unter Hinweis auf Prioritätscode Jericho.« Sein Blick ruhte auf Angus. Trotz der Fremdartigkeit seiner Augen brachten sie ein derartiges Maß durchdringender, purer Bosheit zum Ausdruck, daß sie nur menschlichen Ursprungs sein konnte. »Drehen Sie sich um und machen Sie kehrt. Töten Sie die Personen, die sich hinter Ihnen befinden.«
Offenbar bezweifelte er nicht im geringsten, daß Angus ihm gehorchte. »Ich habe gewußt, daß Sie hier aufkreuzen«, fügte er hinzu. »Es war unvermeidlich. Dios und Lebwohl haben uns beide übers Ohr gehauen. Ich brauchte nur abzuwarten.«
Angus hob den Laser so langsam an, als wöge er Dutzende von Kilos.
Öffnen Sie den Mund.
Während er die Waffe hob – innerhalb der unmerklichen Pause zwischen einer und der nächsten Sekunde –, knüpfte sich in seinem Kopf eine neue Verbindung.
Als wäre die Mitteilung seinem Gehirn imprägniert worden, hörte, sah oder fühlte er, wie sein Programm ihn umorientierte.
Du bist nicht mehr Josua.
Die Jericho-Priorität ist annulliert.
Du bist Isaak. Das ist dein Name. Es ist gleichzeitig dein Befehlscode. Der Prioritätscode lautet Gabriel.
Prioritätscode Gabriel.
Gabriel.
In diesem Augenblick wurde Angus von Milos Taverner frei.
Dios oder Lebwohl hatte diese Krise vorausgesehen. Dementsprechend hatten sie geplant. Sobald sein Leben davon abhing, entließen sie ihn aus jeder außer ihrer eigenen Kontrolle.
Anzeichen der Veränderung mußten Taverner gewarnt haben: er hatte wohl die plötzliche Wildheit in Angus’ Augen bemerkt, das Auflodern des Hasses. Als Angus den Laser vollends gehoben hatte und feuerte, sprang Taverner rücklings hinter die Ecke zurück.
Ebenfalls zu spät fauchte ein Schuß aus Nick Succorsos Laser an Angus’ Schulter vorbei; genau wie Angus verfehlte er Taverner.
Aus Mordgier verfiel Angus nahezu ins Toben und raste Taverner nach.
Er umrundete die Ecke gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wo im nächsten Flur eine Tür zuschlug. Milos Taverner war fort.
Angus hätte ihn verfolgt, die Tür atomisiert, um Taverner zu schnappen. Ihm war vor Wut und Erleichterung beinahe schwummrig: mehr denn je verspürte er jetzt das Bedürfnis zu töten. Wenn er der Gewalttätigkeit, die sich in seinem Innern staute, nun nicht endlich ein Ventil verschaffte, mußte ihm, befürchtete er, das Herz aussetzen. Aber sein Interncomputer hatte anderes vor. Auf dem Absatz wandte Angus sich um – zitterte dabei so heftig, wie seine Z-Implantate es duldeten –, und stapfte zu Nick Succorso, Mikka Vasaczk und Sib Mackern; zu der Tür im mittleren Abschnitt des Flurs.
»›Josua‹?« wiederholte Succorso gepreßt. »›Jericho‹? Was, zum Henker, sollte denn das bedeuten?«
Geflissentlich überhörte Angus die Frage. Mit dem Laser zielte er aufs Türschloß und schmolz es auf; dann hakte er den Laser an den Gürtel.
Hinter dieser Tür befand sich Morn. Sie mußte hier sein. Taverner hatte auf den Versuch verzichtet, ihn woanders hinzulocken; wahrscheinlich hatten die Amnion unterstellt, daß Angus’ Datenspeicher und Detektoren ihn ohnehin dazu befähigten, Morn ausfindig zu machen. Darum mußte sie da sein. Das war doch logisch, oder?
Oder nicht?
Indem er wutentbrannt vor sich hinschäumte, um seine Furcht zu bändigen, stieß er die Tür auf.
Sein Blick fiel in eine kleine, kahle Zelle voller Licht und Elend. Wegen der Polarisierung seiner Helmscheibe konnte er etwaig vorhandene Überwachungsgeräte nicht erkennen; doch dergleichen scherte ihn nicht mehr. Inzwischen war es ihm egal, wer ihn sah: wenn die Überwachung den Amnion nicht verriet, wo er war, dann tat es Taverner. Für ihn zählte nur, daß der Raum nichts enthielt außer einer mickrigen Sanitäranlage und einem sofaähnlichen, gepolsterten Sessel, der sich verstellen ließ wie die Liege eines Krankenzimmers.
Darauf ruhte Morn Hyland, als läge sie im Sterben.
Trotz der Atemmaske, die die untere Hälfte ihres Gesichts bedeckte, erkannte Angus sie sofort. Ihre Augen, die ihm kränklich entgegenstierten, waren tief in die Höhlen eingesunken; Schwellungen verfärbten ihre Wangenknochen; das wirre, schmutzige Haar hing ihr in Strähnen vom Kopf, als fiele es ihr
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