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Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht

Titel: Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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aus, wäre es durch unvermutete chemische Reaktionen abgestorben. Seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie am ganzen Körper so mager wie eine Bulimarexiekranke geworden: emotionale und physische Brutalitäten hatten ihre augenfällige Schönheit geradeso zugrundgerichtet, wie man die Strahlende Schönheit demontiert hatte.
    Dennoch erkannte Angus sie auf den ersten Blick wieder. Er schien sie besser als sich selbst zu kennen. Ihre Abhängigkeit, die Zonenimplantat-Entzugserscheinungen, waren ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, ablesbar an dem Ausdruck der Zermürbung in ihrer Miene, dem krassen Leid in ihren Augen. Sie war Morn Hyland: über jedes erträgliche Maß hinaus zerschunden, mißbraucht bis an den Rand des Wahnsinns und des Todes, aber nach wie vor ein Mensch.
    Angus konnte sich nicht zusammenreimen, wieso sie noch Mensch war: momentan überstieg schon die Tatsache an sich seine Vorstellungskraft. Aber er durfte jetzt für die eventuelle Erklärung keine Aufmerksamkeit erübrigen.
    Als er das Grauen in ihrem Blick bemerkte, die Erwartung neuer Scheußlichkeiten, wurden ihm die Augen blind von Tränen.
    Zugrundegerichtet wie die Strahlende Schönheit…
    In jeder sonstigen Hinsicht beherrschte der Data-Nukleus Angus vollständig; aber er erlegte ihm keine Restriktionen auf, die das Weinen betrafen. Anscheinend hatte Lebwohl oder Dios nie die Möglichkeit in Betracht gezogen, jemand wie Angus Thermopyle könnte zu Kummer, gar zu Tränen fähig sein.
    Aber genau wie die Strahlende Schönheit war Morn sein, ihm vollkommen zu Diensten gewesen. Ihre Schönheit und ihre Demütigungen waren allein ihm vorbehalten geblieben. Unter seiner Knute hatte sie ihm alles gegeben, alles für ihn getan, was sein Hirn sich überhaupt auszudenken vermochte.
    Das machte sie für ihn wertvoll.
    Und sie hatte ihm das Leben gerettet…
    Bis Hashi Lebwohl und seine Z-Implantate ihm dazu jede Möglichkeit entwanden, hatte er sich an die mit Morn eingegangene Abmachung gehalten.
    Der Anblick dessen, was dieser Handel sie gekostet hatte, trieb ihm Tränen, so glutheiß wie Blut, auf die Wangen.
    Vordergründig betrachtet war es Nick, der es ihr angetan hatte. Die grundsätzliche Wahrheit jedoch lautete, es war von Angus verursacht worden: er trug für alles die Verantwortung.
    Betroffen und bestürzt vom Maß ihrer Leidens, verharrte Angus still auf der Stelle. Mehrere Sekunden lang regte sich niemand. Unverwandt starrte Morn ihn nur an. Nick Succorso hatte einen kurzen Blick zur Tür hereingeworfen, war dann jedoch zurückgewichen; jetzt beobachtete er mit Mikka Vasaczk die Ausgänge des Flurs. Sib Mackerns Arme und Beine schienen ihn in die Richtung der Zelle ziehen zu wollen; aber er trat keinen Schritt näher.
    Schließlich zwang Angus’ Data-Nukleus ihn zum Weiterhandeln. Die Zeit lief ab.
    Seine Zonenimplantate erleichterten ihm die Lungen um einen Teil des angestauten Drucks. Mit so abgehackter Gebärde, als ob er zusammenzuckte, fuhr seine Hand an die Kontrollen auf dem Brustteil des EA-Anzugs, aktivierte er den externen Lautsprecher.
    »Morn, hör zu«, sagte er mit leiser, heiserer Stimme, während er angestrengt zwinkerte, um sein Blickfeld zu klären. »Ich hab ’n Raumschiff. Und Davies ist da. Er ist an Bord des Schiffs. Wir holen dich hier raus.«
    Als er den Namen ihres Sohns nannte, hob Morn mit einem Ruck den Kopf. In ihren eingesunkenen Augen schwärte Finsternis, als erfüllte das Hyperspatium ihren Schädel; als wäre ihr Bewußtsein in die Tach übergewechselt und könnte nicht umkehren.
    »Kannst du stehen?« erkundigte Angus sich in fast flehentlichem Ton. »Kannst du laufen? Falls es sein muß, tragen wir dich, aber wir haben alle ’ne größere Überlebenschance, wenn du auf eigenen Beinen mitkommst.«
    Sie blickte zu ihm empor, als spräche er eine Sprache, die sie nicht verstand.
    »Morn, bitte sag was. Antworte mir.«
    Noch einen Moment, und er sänke vor auf die Knie und flehte sie um eine Antwort an.
    Sib Mackern drängte sich an ihm vorüber in die Zelle.
    »Morn«, schnaufte er, »ich bin’s, Sib Mackern.« Sein Ton quoll über von Sorge und Furcht. »Wir sind alle da… Wir alle, denen’s nicht gepaßt hat, daß Nick dich an die Amnion weggibt. Mikka, Vector, sogar Lumpi. Vector und Lumpi sind bei Davies. Thermopyle sagt die Wahrheit. Die drei bewachen das Raumschiff. Nick ist auch dabei. Weil wir ihn brauchten. Aber er hat die Käptens Liebchen verloren. Er kann nirgends mehr hin.

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