Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
wimmelte von integrierten Möglichkeiten und Überraschungen. Quasi Schizo bis zum Exzeß, hielt er beinahe in boshafter Vorfreude auf den kalten Steinklotz Thanatos Minor zu, schwelgte in der Kraftfülle seines Raumschiffs und der Fähigkeit, es zu fliegen. Er fand daran ein derartig sinnliches Vergnügen, daß ihm die Handflächen juckten, als könnten sie sich an früher erinnern, an die Zeit, bevor man ihm die Hände aufgeschnitten und ihnen Laser einmontiert hatte. Ein gefühlsduseliger Ausdruck, als ob er echte Freude empfände, ging über sein Gesicht, während er Tasten drückte, Bordsysteme testete, auf den Betrieb von Servos lauschte.
Dann wieder fiel er in die Risse zwischen den Teilen seiner selbst, die Klüfte seiner Fragmentierung, und geriet in Konfusion.
Aus den Abgründen drang himmelschreiender Wirrwarr herauf, als heulten in ihren Betten einsam und verlassen Säuglinge durcheinander.
Wozu mußte er sich das ganze Zeug über Fusionsgeneratoren anschauen? Die Datenspeicher informierten ihn darüber, daß man bei manchen Typen dieser Generatoren zur Bändigung der von ihnen entfesselten Gewalten Magnetfelder benutzte; und aus einigen davon diffundierte Gravitation, erhöhte die effektive Masse der rundum gelagerten Körper. Diesen Kram wußte er längst. Warum sollte er sich jetzt damit befassen?
Und was, zum Satan, hatte Warden Dios vor?
Wir haben ein Verbrechen an Ihrer Seele begangen.
Was hatte das zu bedeuten, verflucht noch mal? Weshalb war sein Data-Nukleus von Dios ausgetauscht worden? Wen beabsichtigte der VMKP-Polizeipräsident zu leimen?
Damit muß Schluß sein.
Weitere Fragmente…
Da und dort schossen zwischen ihnen – wie ihrer Elektronen verlustig gegangene Atomkerne – schwache Aufwallungen der Wut empor; Andeutungen der Gewalt, in ihrer Präzision so rein wie das Noradrenalin seiner Synapsen und so bar aller Aussagekraft wie die undurchschaubare Tachyonenphysik. Ein organisches menschliches Gehirn gab für die Art von Arbeit, die er zu verrichten hatte, das falsche Werkzeug ab. Nur sachkundige Programmierung und das Joch der Z-Implantate ermöglichten ihm die Bewältigung der Multi-Task-Tätigkeiten, obwohl sein Geist hätte in Stücke gesprengt werden müssen wie ein Raumschiff bei explosiver Dekompression.
Für seinen Data-Nukleus bedeutete es keinen Unterschied, ob Angus bei Verstand blieb oder nicht. Apparative Erfordernisse kontrollierten ihn durch elektronische Zwänge: Wahnsinn oder Geistesklarheit hatten keinen Belang. Trotzdem kämpfte er unausgesetzt um seinen inneren Zusammenhalt.
Er wollte Freude am Fliegen der Posaune empfinden.
Er wünschte sich, Morn Hyland wiederzusehen.
Er gierte nach Rache an Milos Taverner.
Und Warden Dios hatte ihm Grund zur Hoffnung gegeben.
Wir haben ein Verbrechen an Ihrer Seele begangen.
Damit muß Schluß sein.
Angus wußte nichts über Menschen, die solche Äußerungen machten. Nach seinem Erfahrungsschatz existierten solche Leute überhaupt nicht. Demnach mußte er davon ausgehen, daß Dios’ Antrieb zum Handeln aus Bösartigkeit bestand, geradeso wie bei jedem anderen Menschen.
Dennoch erachtete er es als vorstellbar – mit knapper Not noch denkbar –, daß nicht er das Ziel von Dios’ Übelwollen war; dieses Mal nicht. Die Absichten des Polizeipräsidenten mochten jemand anderem gelten. Und in diesem Fall konnte sich alles ändern, sobald die Abweichungen zwischen Lebwohls und dem jetzigen Data-Nukleus sich auswirkten.
In Angus’ Kopf hallten Schreie wider, die er nicht ausstoßen konnte: Schreie des Zorns und der Erbitterung, der Hilflosigkeit und Hoffnung; Schreie eines kleinen Jungen, den jemand in seinem Bett quälte.
Sie hinderten ihn am Wahnsinnigwerden. Auf einer innerlichen Ebene, auf die seine Z-Implantate keinen Zugriff hatten, ballten diese stummen Stimmen die Kapazitäten seiner auf die harte Tour erworbenen Gaunerschläue und maliziösen Intelligenz, seinen Haß und sein abwegiges Spezialwissen, vereinten sie zum Kampf um das Überbrücken der zwischen den Bruchstücken seines Ichs klaffenden Spalten.
Weil es außerhalb seiner Macht stand, den vorherbestimmten Kurs der Posaune zu korrigieren, oder die Datenspeicher-Informationen, die er nicht wollte, zu unterdrücken, konzentrierte er sich auf seinen vorgeblichen Ersten Offizier.
Vorgefertigte Programme zeichneten automatisch alles auf, was Milos Taverner tat und sprach. Allem Anschein nach trauten Dios und Lebwohl dem ehemaligen Stellvertretenden
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