Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
gestattete, blieb hingegen offen.
Schließlich klirrten die Greifarme der Parkbucht in die Muffen des Rumpfs, Strom- und Kommunikationskabel sowie Luftschläuche schoben sich in ihre Stutzen. Weil sein Interncomputer ihm keine Wahl ließ, schaltete Angus die Bordsysteme der Reihe nach ab.
Von da an häuften er, Taverner und die Posaune beim Kassierer ein Soll an.
»Wenn Sie spezielle Anweisungen haben«, brummte er Taverner zu – seine Zunge schmerzte noch immer bestialisch –, »dann rücken Sie jetzt damit raus. Kassafort ist ein Ort, wo man sich nicht überraschen lassen darf. Oder Sie müßten im Improvisieren besser als an Ihrer Konsole sein.«
Milos Taverner warf die Nik auf den angewachsenen Kippenhaufen neben seinem G-Andrucksessel und entzündete eine neue. »Meinen Sie das mit ›Realität?‹« nuschelte er. »Eine Umgebung ohne Überraschungen?«
Angus lachte krächzend. »Sie ahnen ja gar nicht, was ich ›Realität‹ nenne.« Er pöbelte, weil er ein Ventil für seine ständigen Aufwallungen der Wut brauchte. »Wenn Sie’s rausfinden, wird’s Ihnen nicht gefallen, dafür garantiere ich, Verdammnis noch mal!« Er öffnete die Sicherheitsgurte seines Andrucksessels. »Ihre erste Lektion ist«, fügte er hinzu, »daß wir nun hinauslatschen und uns so benehmen, als wären wir wirklich freiwillig nach Kassafort gedüst. Selbst wenn Sie, bevor Sie die Erde verlassen haben, Ihr ganze Leben bei Gossengangs zugebracht haben« – Angus vermutete es nur, war aber stark davon überzeugt –, »so was wie hier ist Ihnen bestimmt noch nie vor die Augen gekommen.«
Taverners Blick ruckte vor Beunruhigung herum. »Tatsächlich?« fragte er lässig. Doch sein Versuch, sorglos zu wirken, mißlang ihm.
»Sie dürfen mir glauben«, beteuerte Angus gehässig. Er beugte die Knie, prüfte Thanatos Minors Gravitation. Dann strebte er mit irreführend leichtfüßigen Schritten auf die Konnexblende des Kommandomoduls zu.
An die seitlichen Geländer geklammert, verharrte er dort. »Übrigens«, empfahl er Taverner, »machen Sie bloß nicht den Fehler zu denken, Sie dürften hier Waffen führen. Vor der Rezeption werden Sie bis auf die Eier gescannt. Der Kassierer versteht keinen Spaß, er will ganz sicher sein, daß hier keiner außer ihm rumballern kann.«
Niemand außer ihm und den Amnion.
Taverner musterte Angus voller Bestürzung. »Besteht die Möglichkeit, daß man Sie ertappt?«
Angus grinste. »Das hängt davon ab, ob der Scheißkerl Lebwohl sein Scheißhandwerk versteht.«
Während er in den Durchgang stieg, sah er, wie Taverner verstohlen eine Stunnerrute, die so klein war wie ein Dolch, aus der Tasche zog und in die Polsterung seines G-Andrucksessels schob. Jetzt sah er aus, als wäre ihm Selbstgefälligkeit völlig fremd.
Ihm würde Kassafort ganz bestimmt nicht behagen.
Angus faßte das als eine Form der Ermutigung auf; er war ein Feigling und bedurfte jeder nur möglichen Ermutigung.
Gemeinsam fuhren er und Taverner im Zentrallift hinab zur Luftschleuse. Dort blieb Angus stehen und deutete auf die Kontrolltafel. »Solche Hilfsdienste verrichtet der Erste Offi«, sagte er in rüdem Ton zu Taverner. »Schaffen Sie’s, die Schleuse zu öffnen, oder muß ich nachhelfen?«
Zorn und Angst trübten Taverners Augen beinahe mit einem Schleier. »Sie gehen voraus, Josua«, befahl er mit gepreßter Stimme. »Ich folge erst, wenn Sie das Scanning hinter sich haben.«
Auf eine mit dem Stichwort Josua gegebene Anweisung mußte Angus mit Gehorsam reagieren. Er konnte nicht einmal Achseln zucken. Er trat ganz einfach vor die Kontrolltafel und drückte die Bedienungstasten der Schleusenpforten.
In seinem Kopf zeigte ihm ein Fenster die Zeit: 22:07:15.53 Standardzeit, ziemlich spät an Kassaforts nominellem Abend. Ein zweites Fenster erinnerte ihn an die Sicherheitscodes, anhand der er jeden von Bord der Posaune fernhalten konnte, bis er und Taverner zum Schiff zurückkehrten. Mit seinen cyborgprothetisch verstärkten Augen beobachtete er, während sich die innere Schleusenpforte öffnete, die vergänglichen elektromagnetischen Emissionen der Servos und Schlösser. Wilde Wut durchbrandete ihn, ohne irgendeine Wirkung zu haben.
Nachdem auch Taverner die Schleuse betreten hatte, schloß und verriegelte Angus die innere Pforte; anschließend öffnete er das Raumschiff der höchst reichhaltig zusammengesetzten Innenatmosphäre Kassaforts.
EM-Felder durchflirrten den Eingangsflur. Sie ähnelten überaus feinen,
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