Amnion 3: Ein dunkler, hungriger Gott erwacht
Geheimnis des Immunitätsserums erfuhren. Als sie in Nicks Kabine die Kapseln stahl, hatte sie dafür die Voraussetzung geschaffen, daß die Amnion an das Wissen gerieten, dessen sie bedurften, um den Impfstoff zu neutralisieren.
Nur um noch ein paar Stunden lang ihr Selbst zu bewahren – höchstens für ein, zwei Tage, falls die Amnion weder hier noch an Bord der beiden Kriegsschiffe über Möglichkeiten zur Mutagenproduktion verfügten –, hatte sie an ihrer gesamten Rasse Verrat begangen.
Aber das sollte ihr einerlei sein, oder nicht? Es konnte ihr gleich sein. Weshalb sollte sie sich jetzt hier, in ihrer Lage, noch darum scheren? Jeden Moment mochte der rote Fleck anschwellen und zu eitern anfangen, eine Verwandlung jeder einzelnen ihrer Körperzellen ankünden, die an Dramatik einem Vulkanausbruch nicht nachstand. Schon lange vor ihr hatte die VMKP die Menschheit hintergangen. Ob die Amnion von dem Serum erfuhren oder nicht, ohnehin war es den Männern und Frauen vorenthalten worden, die es am dringendsten benötigten. Morns Verrat vollendete nur das, was von Leuten verübt worden war, die geschworen hatten, das Menschengeschlecht zu beschützen.
Und womöglich errang sie ein paar Stunden Gnadenfrist.
Weiter blickte sie nicht in die Zukunft voraus. Nick Succorso hatte ihr jede längerfristige Zukunft geraubt; sie um alles gebracht außer die unmittelbar durchlebte Krise. Davies’ Kosmokapseln vom Kurs auf die Friedliche Hegemonie nach Kassafort umzulenken, hatte keine Probleme gelöst; darüber war sich Morn im klaren. Sie hatte derzeit einfach nichts anderes unternehmen können.
Ein paar Stunden Frist.
Unter den gleichen Vorzeichen hatte sie schlichtweg auch nichts Sinnvolleres tun können, als Nick einige Kapseln zu stehlen. Sie hatte nur in der Absicht etwas Watte auf den Boden des Fläschchens gestopft, die das Fehlen von sechs oder acht Kapseln vertuschte, damit er es nicht rechtzeitig genug bemerkte. Und als sie ihn nach seinem Verhältnis zum VMKP-HQ fragte, war es ausschließlich aus dem Bestreben geschehen, das Ausmaß der Korruption zu begreifen, die sie an allen Seiten umgab. Andere Zwecke verfolgte sie nicht mehr. Die einzige Alternative wäre das Aufgeben gewesen; und dazu verspürte sie keinen Hang.
Nicht solange Nick lebte.
Nicht solang er und andere seines Schlages – Personen im VMKP-HQ – die Gelegenheit hatten, in Verfolgung eigener Ziele ihren Sohn und die ganze Menschheit zu verschachern.
Ihre Familie hatte sie Überzeugungen gelehrt, die sie nicht ohne eine Veränderung ihrer Persönlichkeit ablegen könnte, die auf ihre Weise so gründlich wie das sein müßte, was ihr die Amnion zumuteten.
Und ihre Familie hatte ihr beigebracht, wie man langen Groll hegte.
Also stierte sie auf den kleinen, roten Quell der Qual an ihrem Unterarm hinab und wartete, durchtobt von Furcht, auf das Kommende. Ihre Nerven waren dermaßen angespannt, daß sie bebte wie im Fieber; als leistete ihr Körper rasenden Widerstand gegen eine organische Invasion.
Von den Rändern der Atemmaske troff ihr Speichel, als wäre es Schweiß. Durch die Maske selbst schien ihr ständig Ersticken zu drohen; sie verursachte klaustrophobische Empfindungen. Hätte Morn ihr Gesicht gesehen, vielleicht hätte sie sich nicht erkannt. Blutergüsse und emotionale Auslaugung entstellten ihre Schönheit; die tief eingesunkenen Augen glichen tödlichen Wunden; das Haar, ungepflegt und verlottert wie bei einer Nervenspritsüchtigen, umwallte ihren Kopf in wüsten Strähnen.
Doch in ihrem Innern glühte eine ihr so tief eingebrannte Leidenschaft, als wäre sie unauslöschlich. Nichts als eine vollkommene Transformation könnte ihr Erlöschen bewirken.
Zum vielleicht erstenmal, seit Nick sich das Kontrollgerät ihres Z-Implantats angeeignet hatte, vermißte sie es nicht. Mit der artifiziellen Gemütsstärke, zu der das Implantat verhelfen konnte, hätte es ihr offengestanden, sich den Amnion durch neuralen Suizid zu entziehen. Oder sie hätte sich diese Prüfung der Furcht und des Schreckens ersparen können, indem sie ihre Gefühlsregungen unterdrückte, sich nochmals in die Verfassung seelischer Taubheit versetzte, dank der sie die Geburt ihres Sohns durchzustehen vermocht hatte.
Aber sterben wollte sie nicht. Und sie war der Meinung, daß alles, was ihr Entsetzen verringert hätte, den Amnion dabei hülfe, genau die Erkenntnisse zu gewinnen, die sie brauchten.
Sie hatte in sich selbst einen Ruhepunkt gefunden, an dem
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