Amnion 4: Chaos und Ordnung
Materiekanone durch den Rumpf des Kreuzers sang, steigerte sich zum Röhren, während Glessen jedes abkömmliche Joule an Ladung aus den Läufen verfeuerte. Mit allen verfügbaren Waffen und aller einsetzbaren Kraft attackierte die Rächer den Amnioni, beanspruchte sich bis an die äußersten Grenzen der Belastbarkeit, um den Alien so stark zu bedrängen, daß ihm keine Wahl blieb, als sich mit allen Mitteln zu wehren, anstatt noch einmal auf die Posaune zu schießen, er versuchen mußte, sich erst des Polizeikreuzers zu entledigen.
Gutgehen konnte diese Attacke nicht. Noch war die Rächer zu weit entfernt, ihre Feuerkraft trotz allem zu gering, um den Amnioni zu bestimmten Reaktionen zu zwingen. Die Defensiveinheit hatte schon bewiesen, daß sie selbst ununterbrochenem Materiekanonen-Beschuß standzuhalten fähig war; Rumpfglasuren deflektierten, verspiegelte Panzerung zerstreute Laserstrahlen, oder die chaotischen Energien, die tobten, wenn Strahlen aus Materiekanonen in Partikelkollektoren zerstoben, lösten sie völlig auf. Und die Torpedos waren zu langsam, ihre Schubleistung beschränkte sie auf Normalraumgeschwindigkeiten.
Nicht einmal die aufs extremste geballte Kampfkraft der Rächer reichte aus, um den Amnioni an seinen Absichten zu hindern.
Und die Posaune hatte keine Deckung mehr. Ebenso fehlte es ihr an genügend Zeit zur Flucht. Auch bei Höchstschub konnte sie nicht rechtzeitig die zum Überwechseln in die Tach erforderliche Geschwindigkeit erreichen. Auf den Sichtschirmen der Scanninggeräte glühte ihr Abbild von heißen Emissionen, während ihr Antrieb sie mit maximaler Leistung beschleunigte, sie roh auf einen Kurs schwang, der an der Rächer vorbei in den freien Weltraum führte, sie verzweifelt die Geschwindigkeit zu steigern versuchte. Aber es war zu spät, sie blieb unweigerlich zu langsam: Die Zielerfassung und -Verfolgung des Alien konnte sie noch leicht ins Visier nehmen.
Und sobald die Defensiveinheit das Superlicht-Protonengeschütz wiederaufgeladen hatte…
Da leuchteten plötzlich, ohne jedes Vorzeichen, neue Meßwerte auf den Monitoren: Neue Energievektoren linierten auf den Sichtschirmen das Vakuum.
»Du lieber Gott!« schrie Porson. »Das zweite Raumschiff, das Schiff aus dem Bannkosmos. Es feuert. Es beschießt die Defensiveinheit!«
Unmöglich. Ausgeschlossen. Dieser andere Raumer mußte ein Feind sein. Aber für Min war die Wahrheit schon von den Bildschirmen ersichtlich gewesen, bevor Porson sie hatte melden können. Aus der Randzone des Asteroidenschwarms überschüttete das unidentifizierte Raumschiff den Amnioni mit starkem Feuer.
Wenn das Alien-Kriegsschiff die Partikelkollektoren vernetzt hatte, um sich gegen den Beschuß durch die Rächer zu verteidigen, traf dieser Angriff es schutzlos, war es dagegen buchstäblich ungeschützt…
»Mehr, Glessen!« brüllte Dolph Ubikwe mit der Lautstärke einer Triebwerksdüse durch den Lärm. »Nicht nachlassen!«
Auf der einen Seite das unaufhörliche Trommelfeuer der Rächer; von der anderen Seite der Artillerieüberfall des Unbekannten… »Sie ist getroffen«, rief Porson. »Sie ist beschädigt. Die Defensiveinheit hat Schäden abgekriegt. Wir überlasten die Partikelkollektoren. Unser Beschuß schlägt durch.«
Einhundertundachtzig Sekunden brauchte der Amnioni für das Aufladen des Superlicht-Protonengeschützes. Min sah auf den Displays einen Countdown, hielt den Atem an. Gelang es der Rächer und dem anderen Raumer, den Amnioni schleunigst so stark zu beschädigen, daß er keinen Protonenstrahlschuß mehr abgeben konnte?
Nein. Die Frist war fast vorüber.
Auf einem Düsenausstoß, der einer kosmischen Fackel glich, raste der Interspatium-Scout aus dem Umkreis des Asteroidenschwarms davon, beschleunigte mit regelrecht mörderischer Geschwindigkeitssteigerung. Doch das Fluchtfenster schloß sich in schon acht Sekunden.
»Na los, du Halunke!« wetterte Kapitän Ubikwe auf die Defensiveinheit ein.
Fünf Sekunden.
»Sieh zu, wie du dich rettest!«
Zwei. Noch eine Sekunde.
Das Superlicht-Protonengeschütz des Alien-Kriegsschiffs feuerte erneut.
Auf den Scanningmonitoren der Rächer flammten grellgleißende Emissionen, als der Protonenstrahl den unerwarteten Bundesgenossen der Posaune zersprengte und atomisierte. Binnen Millisekunden barst der Rumpf, Bordatmosphäre sprühte hinaus in die Statik des Asteroidenschwarms, der Antrieb implodierte unter seinen nach innen gekehrten Energien, zwischen den Felsen verknatterte
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