Amnion 5: Heute sterben alle Götter
seiner mit der amnionischen Schnellwachstumsmethode erfolgten Geburt durchlaufen hatte, ausgeschlossen gewesen. Min Donner wie eine Feindin zu behandeln, mußte ihn schmerzen wie eine Selbstbestrafung.
Morn wußte, wie ihm zumute war; sie wußte es nur zu genau.
Darüber hinaus allerdings hatte er ein gesondertes Problem, das nur sie verstand, weil sie soviel Zeit unterm Einfluß ihres Zonenimplantats verlebt hatte. Sein beschleunigter Metabolismus verursachte ihm ständige Ruhelosigkeit. Gewissermaßen lief sein Körper auf zu hohen Touren, als daß er auch nur hätte stillsitzen können. Er bedurfte ununterbrochener Bewegung, Aufgaben, Beanspruchung. Wenn er tatenlos bleiben mußte, fraßen ihn die eigenen überflüssigen Kräfte bei lebendigem Leib.
In regelmäßigen Abständen mußte er die Augen von der OA-Direktorin wenden, um sich mit körperlicher Betätigung zu befassen. Dann drückte er Morn stumm die Schußwaffe in die Hand und baute den Kräftestau durch Laufen ab, sprintete emsig durchs Rund der Brücke, bis ihm Schweiß, den das Material der alienfabrizierten Bordmontur nicht aufsaugte, von der Haut spritzte. Anschließend kam er zum Kommandosessel zurück, ließ sich die Pistole wiedergeben und setzte die Bewachung Min Donners fort. Dennoch bedeutete es für ihn offenkundige Quälerei, das langweilige Verstreichen der Stunden durchzustehen, allmählich machte die nervliche Zermürbung ihn rasend. Er brannte beinahe im wahrsten Sinne des Wortes darauf, etwas zu tun; irgend etwas so Extremes oder Verzweifeltes, daß es ihm zu Wohlbefinden verhalf.
Was Mikka anbetraf, stand Nicks frühere Erste Offizierin wie geballter Stahl neben Emmetts Schulter, beobachtete alle seine Handlungen, als hätte sie vor, die Steuerung in alle Ewigkeit zu überwachen. Als die Brückencrew auf Min Donners Beharren abgelöst wurde und der Dritte Steuermann der Rächer Emmetts Platz übernahm, blieb Mikka bei ihrer Bewachungstätigkeit. Kurz war ihre Konzentration gestört worden, weil ihr Bruder Ciro von Angus angefordert worden war; Einwände hatte sie jedoch nicht erhoben. Das einzige Zugeständnis an menschliche Schwäche bestand darin, daß sie sich den Verband von der fast verheilten Kopfverletzung entfernte, um besser zu sehen. Danach hielt sie Wache wie eine Frau, die sich gegen Verzweiflung keinen wirksameren Schutz als die durch Morn zugewiesene Pflicht denken konnte.
Dank seiner typisch phlegmatischen Art sah Vector die Lage anscheinend weniger dramatisch als die übrigen Beteiligten. Sobald er sich davon überzeugt hatte, daß die Rächer eine korrekte Kopie seines Enthüllungsfunkspruchs gespeichert hatte und sie sich jederzeit ausstrahlen ließ, war er auf gewisse Weise überflüssig geworden. Mit Waffen kannte er sich nicht aus; in Astrogation fehlte ihm die Erfahrung. Für einige Zeit erzählte er seiner Umgebung von seiner Arbeit bei Intertech: über die Antimutagen-Forschung; daß die ›Laune‹ eines VMKP-DA-Computers ihm die Resultate entrissen hatte. Auf seine umständliche Weise machte er damit seine Haltung klar, damit jeder begriff – besonders Min Donner –, auf welcher Seite er stand. Danach allerdings wandte er sich mit dem Bekenntnis an Morn, daß er die Hilfe des Medi-Computers in Anspruch nehmen müßte. Für jeden außer ihn mochte die Bordrotation vorteilhaft sein, doch bei ihm verschlimmerte sie die Entzündung der Gelenke. Er hatte in letzter Zeit zuviel Beschleunigung ertragen müssen; und für zu lange Zeitabschnitte.
Morn hegte Bedenken. Falls die Besatzung der Rächer sich doch dazu entschloß, sich gegen sie aufzulehnen, gab er eine nützliche Geisel ab. Aber Min Donner mischte sich ein; übers Interkom informierte sie die gesamte Crew, daß Vector Shaheed das Medizinalrevier aufsuchen mußte und jeden, der ihn behinderte oder belästigte, ein Disziplinarverfahren zu erwarten hätte. Er verließ die Steuerbrücke ohne ersichtliche Besorgnis.
Als er zurückkehrte, schnallte er sich in einen freien G-Andrucksessel und schlief auf der Stelle ein.
Auch Min Donner schlief gelegentlich. Morn dagegen blieb, so wie Davies und Mikka, durchgehend wach.
Es bereitete ihr weniger Schwierigkeiten als den anderen: Sie hatte zwischendurch erheblich mehr Schlaf gehabt. Doch sie hätte ohnehin keinen Schlummer gefunden. Ihr Arm juckte im Gußverband unerträglich, plagte sie mit Erinnerungen an das Hyperspatium-Syndrom und gräßliche Schmerzen. Und während sie Lichtjahr um Lichtjahr zur Erde
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