Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Widerstand. Die Verstärkung, die er gerufen hatte, mußte unterwegs sein. Angus suchte in seiner Miene nach Anzeichen des atavistischen Entsetzens, das dazu geführt haben mochte, daß er Reste seiner menschlichen Eigentümlichkeiten beibehalten hatte. Aber es gab nichts dergleichen mehr zu sehen. Nicht einmal das hektische Zwinkern des einen Menschenauges enthüllte etwas von Vestabules Innenleben.
»Angus Thermopyle«, stellte er in rauhem Tonfall fest, »Sie haben großen Schaden angerichtet.«
»Das will ich doch wohl hoffen«, brummelte Angus. Offenbar wußte der Amnioni, wem er die Schlappe zu verdanken hatte. Doch wie groß der Schaden für die Amnion auch war, eine heile Helmscheibe erhielt Angus dadurch nicht.
»Scheiße, Angus«, meinte Vector Shaheed, als die Gruppe mit den Stiefeln das Deck berührte. »Mit dieser Helmscheibe können Sie unmöglich von Bord gehen. Sie wären schon mausetot, ehe wir zur Schleuse hinaus sind.«
Er zögerte einen Moment lang. »Ich bleibe hier«, schlug er anschließend melancholisch vor. »Ich bin sowieso überflüssig. Das Raumschiff wird bald vernichtet, und ich sterbe als Mensch. Also nehmen Sie meinen Helm.«
Er hob die Hände an die Verschlüsse, als hätte er den festen Willen, sich unbedingt irgendwie zu opfern.
»Das wird Ihnen nicht vergessen«, sagte Vestabule zu Angus.
»Lassen Sie den Quatsch«, knurrte Angus, ehe Vector Shaheed die Verschlüsse öffnen konnte. Mit Unterstützung der Zonenimplantate gelang es ihm, seine Atmung zu beruhigen. Er kannte sämtliche Parameter der Anzugkonstruktion, alle Einzelheiten ihrer Beschaffenheit. »Vorläufig haben wir ganz andere Sorgen. Und wir sind noch nicht am Ende unserer Möglichkeiten.«
Je stärker die Stiller Horizont beschleunigte, um so schwieriger wurde es für Kapitänhauptmann Ubikwe, das Kommandomodul und die angekoppelte Posaune in Position zu halten. Doch die Defensiveinheit brauchte einen Großteil ihrer Energie für die Bordartillerie, Schutzfelder und Partikelkollektoren. Und der Antrieb steigerte die Schuberzeugung nur langsam. Es dauerte lange, bis sie höhere Geschwindigkeit entwickelte. »Die Amnion werden es nicht vergessen«, verhieß Vestabule.
Angus wünschte sich, daß der Amnioni die Fresse hielte.
Er löste die Verschlüsse des eigenen Raumhelms und nahm ihn ab, um Dios ohne die Sichtbehinderung durch die gesprungene Scheibe sehen zu können. Sofort fraß sich die ätzende Schärfe der Bordatmosphäre in seine Lungen. Vor Widerwillen krampfte sich sein Brustkorb zusammen; doch die Z-Implantate unterdrückten die Abwehrreaktion der Bronchien.
Warden Dios hatte ihn eine machina infernalis genannt. Wir haben, hatte er zu ihm gesagt, ein Verbrechen an Ihrer Seele begangen.
Und hinzugefügt: Damit muß Schluß sein.
Jetzt war er von Angus’ Gnade abhängig. Er selbst hatte die Restriktionen beseitigt, durch die es Angus ursprünglich unmöglich gemacht worden war, feindselige Handlungen gegen VMKP-Personal zu verüben.
Wortlos wartete er, während Angus ihn musterte, als wäre ihm klar, daß über ihn ein entscheidendes Urteil bevorstand. Beinahe glaubte Angus, daß der VMKP-Polizeipräsident ein Mann sein könnte, dessen Wort galt.
»Solange Sie leben«, kündigte Vestabule an, »werden die Amnion Ihren Tod anstreben. Von nun an gibt es für Sie nirgendwo im Weltall je wieder einen sicheren Zufluchtsort. Sie werden niemals außer Gefahr sein. Es wird keinem Fetzchen, keinem Partikel Ihrer DNS zu überdauern gestattet. Auch der Nachkomme, den Sie als Ihren Sohn bezeichnen, wird nicht vergessen. Jeder Erbe Ihres Fleischs wird für den Tod vorgemerkt.«
Angus würdigte den Amnioni keines einzigen Blicks. Derlei Drohungen beeindruckten ihn nicht.
»Ein Versprechen haben Sie gehalten«, maulte er Dios an. »Mal sehen, ob’s noch mal klappt.«
Mit einer knappen Handbewegung warf er den Industrielaser dem Mann zu, der veranlaßt hatte, daß man ihn mit falschen Anschuldigungen ins Gefängnis brachte, für die VMKP rekrutierte und zum Cyborg unifizierte.
Dios fing den Laserschweißbrenner mit der Faust auf, legte ihn sich auf den Handteller; überzeugte sich durch einen kurzen Blick davon, daß er noch Ladung enthielt. Dann schaute er Angus wieder in die Augen. Anscheinend verstand er Angus’ durch die Blume gestellte Frage. Aber er gab keine direkte Antwort.
»Glauben Sie«, fragte er statt dessen seinerseits, »daß ich Sie deswegen freigelassen habe?«
»Das versuche ich ja
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